Himbeeren mögen's nicht zu heiß, stehen aber auch nicht gerne im Regen. Eigentlich ideal für eine Überdachung mit semitransparenter Photovoltaik, erkannte Johann Deix. Nun errichtet der Landwirt im niederösterreichischen Pyhra eine PV-Anlage mit knapp 500 kWp für seine Himbeeren und Brombeeren.
„Vor sechs Jahren sind wir in die Produktion von Beerenobst eingestiegen“, erzählt Johann Deix. Später stieß er auf eine Untersuchung der niederländischen Universität Wageningen, wonach Himbeeren mit bis zu 40 Prozent Beschattung gut zurechtkommen. Weniger Sonne bedeutet auch ein langsameres Reifen der Früchte. So beschloss Deix, die Hälfte seiner Himbeeren zur Verfrühung weiterhin im Folientunnel wachsen zu lassen, die andere Hälfte aber mit semitransparenter PV (35 % Beschattung) zu überdachen. Dadurch verlängert er die Erntesaison und man kommt in den Genuss weiterer Vorteile der Agri-PV-Anlage.
Mehrfachnutzen. Die Him- und Brombeeren bekommen unter dem PV-Dach Schutz vor Starkregen, Hagel und Überhitzung. Die Anlage verursacht außerdem weniger Arbeit als die Folientunnel. „Im Sommer wird es in den 1.800 Laufmetern Folientunnel richtig heiß“, erklärt Deix. Das tut weder den Himbeeren gut, noch dem Landwirt und seinen Mitarbeiter:innen.
Unter der PV ist es deutlich kühler und luftiger. Bienen und andere Bestäuber können unter der Agri-PV besser zu- und abfliegen. „Mein Bruder ist Imker“, sagt Deix. „Er weiß, dass Bienen, wenn sie flüchten, nach oben auffliegen. Also haben wir am Dachgiebel Öffnungen gelassen.“ Da die Metallsteher für die Dachkonstruktion nur in den Boden gerammt wurden, musste kein Ackerboden durch Fundamente versiegelt werden – und die Anlage kann am Ende ihrer Tage wieder rückgebaut werden.
Reichlich Energie. Weil geerntete Beeren und andere landwirtschaftliche Produkte gekühlt werden müssen, hat der Betrieb einen entsprechend hohen jährlichen Stromverbrauch von rund 120.000 kWh. Die neue PV-Anlage mit 499 kWp Spitzenleistung wird etwa viereinhalbmal so viel Strom liefern.
Matthias Zawichowski, Manager der Klima- und Energie-Modellregion Elsbeere Wienerwald, unterstützte Deix bei der Projektentwicklung und organisiert nun rund um die Anlage eine lokale Erneuerbare-Energiegemeinschaft. Er ist von dem Projekt fasziniert und konnte mit seiner Begeisterung auch die Bürgermeister:innen seiner KEM-Gemeinden* anstecken. „Die Bürgermeister:innen-Vollversammlung hat sogar beschlossen, dass die KEM die Himbeer-PV als ein regionales Pilotprojekt verstärkt unterstützen soll.“
Süße Finanzierungsidee. Zawichowski und Deix heckten gemeinsam eine kulinarische Variante zur PV-Bürgerbeteiligung mit „Sonnen-Bausteinen“ aus. Für eine einmalige Zahlung von 360 Euro erhalten Unterstützer:innen über drei Jahre insgesamt 36 Flaschen Himbeerprosecco und 15 400-Gramm-Tassen Himbeeren. „Sowie ganz viel gutes Gewissen“, rührt Zawichowski die Werbetrommel. Die Anlage wird aber auch über die Marktprämie nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) gefördert.
Allgemein setzt die (LEADER- und KEM-)Region Elsbeere Wienerwald auf hochwertige Produkte regionaler Herkunft. Die Verantwortlichen der Region freuen sich daher besonders über diese innovative und nachhaltige Kombination aus Qualitätsprodukten und erneuerbarer Energie. Aber sind die Himbeeren auch „bio“? „Nein, wir sind ein konventioneller Betrieb, setzen aber aus Prinzip keine Insektizide ein“, antwortet Deix. Nicht „bio“ sei die Beerenproduktion auch, weil dazu der Anbau im Boden erfolgen müsste. Da die Pflanzen im Erwerbsobstbau aber alle drei bis vier Jahre ausgetauscht werden müssen, was unter der PV schwierig wäre, wachsen seine Himbeeren unter Strom im Substrat. „In der Landwirtschaft spüren wir die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen bereits drastisch. Wir sehen es daher als unsere Pflicht an, zu handeln und neue, innovative Wege zu gehen“, ist Deix überzeugt.
* Die KEM Elsbeere Wienerwald umfasst die Gemeinden Altlengbach, Asperhofen, Böheimkirchen, Brand-Laaben, Eichgraben, Kasten bei Böheimkirchen, Kirchstetten, Maria Anzbach, Michelbach, Neulengbach, Neustift-Innermanzing, Pyhra und Stössing.
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