Eisenstadt und Umgebung werden Schwerpunktregion

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Interview. Ende Juni erreichte Marion Schönfeldinger die Zusage der Jury, dass ihre Einreichung als „KEM – Raus aus Öl und Gas“ auch in der zweiten Stufe erfolgreich war. Ab Herbst möchte Schönfeldinger gemeinsam mit ihren Stakeholder:innen und einer Million Euro vom Klima- und Energiefonds in die Umsetzung der KEM RÖG „Wärmewende Eisenstadt und Umgebung“ gehen.

 

Die neue Schwerpunkt-Klima- und Energie-Modellregion umfasst die Landeshauptstadt Eisenstadt samt 14 Umlandgemeinden* zwischen Eisenstadt und Neusiedler See. Abgesehen vom kleinstädtischen Charakter der Landeshauptstadt mit ihren 15.729 Einwohner:innen dominieren von Weingärten, Wiesen und Ackerland umgebene Straßendörfer und Streusiedlungen die Landschaft der Region. Auf einer Gesamtfläche von 377 km2 leben rund 43.600 Menschen in circa 19.300 Haushalten.

In der Modellregion sind 83 KMUs und elf größere Unternehmen angesiedelt. Die netzgebundene Energieversorgung (Wärme und Strom) erfolgt überwiegend über die Burgenland Energie AG. Alle Gemeinden der Region verfügen über eine Erdgasversorgung. In Eisenstadt besteht ein größeres Fernwärmenetz, einige Gemeinden betreiben Nahwärmenetze.

Erfahrene Projektleiterin. Marion Schönfeldinger ist seit 2009 im Bereich erneuerbare Energie und Energieeffizienz als Projektmanagerin tätig und seit 2017 bei der Forschung Burgenland am Center for Energy Transition. Sie wechselt mit diesem Projekt nun gewissermaßen die Seiten. Denn von 2015 bis 2022 hat sie die burgenländischen Klima- und Energie-Modellregionen als KEM-QM-Beraterin überprüft und unterstützt – außerdem war sie  für e5, das Programm für energieeffiziente Gemeinden, zuständig. Nun ist sie selbst KEM-Managerin. Schönfeldinger studierte Landschaftsplanung und Ökologie mit Schwerpunkt Regionalentwicklung, erneuerbarer Energie, Raumplanung und Landwirtschaft. Seit 1998 sammelte sie reiche berufliche Erfahrung in diesen  Bereichen. Seit 2009 leitet und bearbeitet Schönfeldinger zahlreiche nationale und EU-geförderte Projekte mit Schwerpunkt erneuerbarer Energie.

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Herzliche Gratulation zur Zusage für die Schwerpunktregion „Raus aus Öl und Gas“. Haben Sie das schon gebührend gefeiert?

Vielen Dank. Die freudige Nachricht ist für uns auch noch recht frisch. Wir planen definitiv, kurz auf die erfolgreiche Einreichung anzustoßen. Richtig feiern werden wir jedoch erst dann, wenn wir auch die Umsetzung des Projekt gut gelungen ist.

Was werden nun die nächsten Schritte der Schwerpunktregion sein?

Zuerst habe ich mein Einreichteam Marcus Hofmann, Elke Szalai und Alois Kraußler über die positive Rückmeldung der KPC in Kenntnis gesetzt. Jetzt bin ich dabei, die 15 Gemeinden zu informieren, die bereits bei der Einreichung mitgearbeitet haben und den Kern der Schwerpunktregion „Raus aus Öl und Gas“ bilden. Danach werde ich alle anderen relevanten Stakeholder:innen informieren und auf die beginnende Umsetzung vorbereiten. Wir müssen die geplanten Management- und Kommunikationsstrukturen aufbauen, den Zeitplan konkretisieren und möglichst schon erste Besprechungstermine für die Kick-off-Veranstaltung koordinieren. Das wird uns über den Sommer beschäftigen – im Herbst zu Projektstart wollen wir möglichst schnell in die Umsetzung kommen.

Ziel der Schwerpunktregion „Raus aus Öl und Gas“ ist laut Ausschreibung, „Gas- und Ölheizungen aus dem Wärmesektor weitestgehend zu eliminieren“. Wie viele Heizungen gilt es in der Region durch klimaschonende Alternativen zu ersetzen?

Basierend auf unseren Recherchen gehen wir im Bereich der Raumwärme von ungefähr 6.100 Gas- und 1.400 Ölheizungen aus – bei insgesamt 17.413 Heizungen. Das bedeutet, dass etwa 43 Prozent der Heizungssysteme in der KEM RÖG Eisenstadt und Umgebung aktuell mit fossilen Brennstoffen befeuert werden. Insgesamt gilt es, etwa 212 GWh an Wärmeenergie durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen.

Bei der Prozesswärme können wir davon ausgehen, dass der Wärmeeinsatz im Jahr 2023 bei circa 33 GWh lag und zu etwa 80 Prozent aus fossilen Energieträgern stammte. Diese Zahlen basieren auf den aktuell zur Verfügung stehenden Daten, die zum Teil durch Abschätzungen ergänzt wurden. Eine Aufgabe, die wir uns gesetzt haben, ist es, einen detaillierten und aktuellen Datenbestand zu den vorhandenen fossilen Heizungsanlagen in der Region zu erarbeiten.

Und wie viele davon rechnen Sie tatsächlich eliminieren zu können? Es gibt ja sehr gute Förderungen für den Heizungstausch, aber keine Verpflichtungen zur Klimawende im privaten Heizungskeller.

Im Bereich der privaten Haushalte gibt es zurzeit sehr attraktive Förderangebote. Wir gehen davon aus, dass diese auch in der nahen und mittleren Zukunft weiter bestehen werden. Hier erwarten wir uns eine entsprechende Dynamik, die wir in unserem Projekt sinnvoll ergänzen und unterstützen möchten.

Für alle anderen Zielgruppen werden vor allem wirtschaftliche Vorteile zu finden sein, die durch ergänzende Anreiz- beziehungsweise Geschäftsmodelle erbracht werden müssen. Für all jene Bevölkerungsgruppen, die trotz finanzieller Unterstützungen nicht bereit sind, ihr Heizungssystem zu tauschen, wird es vor allem wichtig sein, die konkreten Hemmnisse – zum Beispiel Desinformation, fehlendes Wissen oder emotionale Bedenken – zu  identifizieren und gezielte Überzeugungsarbeit zu leisten.

Wir haben uns dieses ambitionierte Ziel im Projekt gesetzt, wohl wissend, dass es einen längerfristigen Prozess als die geplante dreijährige Projektdauer brauchen wird, um eine vollständige fossilfreie Wärmeversorgung in der Region umzusetzen. Konkret planen wir bis 2027, die Hälfte aller fossilen Heizungsanlagen auf erneuerbare Alternativen umzustellen. Im Bereich der Prozesswärme halten wir eine Dekarbonisierung bis 2030 für möglich.

Wie ist die Situation bei den gemeindeeigenen Gebäuden? Ist auch hier noch viel zu substituieren – oder schreitet die Dekarbonisierung im Wärmebereich schon zügig voran?

Die Situation in den Gemeinden steht sinnbildlich für die gesamte Schwerpunktregion. Viele Gemeinden haben bereits damit begonnen, sich Gedanken zu machen, Maßnahmen zu planen und befinden sich zum Teil auch schon in der Umsetzung. In vielen Bestandsgebäuden wird aber nach wie vor fossil geheizt und man ist auf der Suche nach entsprechenden technischen Konzepten oder Finanzierungsmöglichkeiten. Hier wollen wir aktiv durch entsprechendes Know-how unterstützen.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Einführung der Energiebuchhaltung in den Gemeinden. Läuft diese bereits an?

Die Wichtigkeit einer Energiebuchhaltung ist allen Gemeinden bekannt und wurde durch unterschiedliche Initiativen (e5, KEM) bereits vorangetrieben. Aus unserer Sicht bietet eine zeitlich hoch aufgelöste und automatisierte Energieverbrauchserfassung mit 15-Minuten-Werten die größten Potenziale, um entsprechende Maßnahmen zur Effizienzsteigerung zu identifizieren oder den Betrieb des Gebäudes zu „monitoren“. In der Einreichphase wurden bereits Vorgespräche mit den Gemeinden im Zuge von Workshops und Vor-Ort-Gesprächen geführt. Mit dem Ankauf und der Bereitstellung des e5-EBO-Tools** wird das Land auch unsere Gemeinden unterstützen.

Welche Strategien verfolgt die Schwerpunktregion bei Mietwohnungen sowie bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen? 

Auch hier sind die Zielgruppe immer die Gebäudeeigentümer:innen. Wir streben eine enge Kooperation mit den regionalen Wohnbaugenossenschaften an, die wir durch entsprechende Workshops in das Projekt einbinden werden. Es wird hier ebenfalls darauf ankommen, durch entsprechende Geschäftsmodelle die Wirtschaftlichkeit eines vorzeitigen Austauschs fossiler Heizungsanlagen attraktiv darzustellen.

Der Standard berichtete im April, dass in Österreich noch 13 Prozent der zwischen 2022 und 2024 fertiggestellten Wohneinheiten mit fossilen Heizungen ausgestattet wurden. Sehen Sie eine Möglichkeit, so etwas in der Schwerpunktregion zu unterbinden?

Unterbinden können wir es natürlich nicht. Wie gesagt, es wird viele Hände brauchen, die gemeinsam anpacken, um diese ambitionierten Zielsetzungen bis 2040 auch für ganz Österreich zu erreichen. Wir wollen der Bevölkerung in der Schwerpunktregion sinnvolle Alternativen anbieten und ihnen einen einfachen und unbürokratischen Zugang zu einer Umsetzung verschaffen.

Von welchen geplanten Maßnahmen der Schwerpunkt-KEM erwarten Sie sich – gemessen in Treibhausgas-Einsparpotenzial – die größte Wirkung?

Das ist zum aktuellen Zeitpunkt schwer zu sagen. Kurzfristig werden die regionalen Geschäftsmodelle und die Zusammenarbeit mit den Wohnbaugenossenschaften beziehungsweise der Energieberatung Burgenland einen großen Hebel darstellen, um die Bewohner:innen von Wohnungen und Häusern zum Umstieg zu bewegen. Mittel- bis langfristig werden Maßnahmen wie die Energieraumplanung eine große Wirkung erzielen. Grundsätzlich wird die Summe der vielfältigen Maßnahmen den Unterschied machen, daher wurden diese ja auch entsprechend abgestimmt und so geplant.

Sie haben schon bei unserm Gespräch Ende Jänner (vgl. hier) die breite Zusammenarbeit mit den Gemeinden, der Wirtschaft und dem Energiereferat des Landes Burgenland betont. Wie haben Ihre Stakeholder:innen auf die gute Nachricht reagiert?

Die Reaktionen unserer Stakeholder:innen waren durchwegs sehr positiv und extrem erfreut. In unserer Region und auch im gesamten Bundesland wird das Thema Klimaschutz sehr ernst genommen. Das Burgenland hat sich ja mit dem Ziel der bilanziellen Klimaneutralität bis 2030 eine noch ambitioniertere Vorgabe als der Bund gesetzt. Projekte wie unseres sind fest in der Strategie des Landes verankert, unterstützen einander gegenseitig und werden von allen landesnahen Organisationen mitgetragen. Auch die Gemeinden sind begeistert von der Unterstützung durch das Projekt. Aufgrund der Vielzahl an Verwaltungsaufgaben und oft begrenzten Ressourcen scheitern viele gute Ideen in der Umsetzung. Hier kommt unser Projekt, die KEM RÖG, ins Spiel. Sie unterstützt, koordiniert und entlastet die Gemeinden, indem sie als zentrale treibende Kraft fungiert.

Welchen Appell möchten Sie an Ihre Mitstreiter:innen richten?

Um den Erfolg dieses ambitionierten Projekts zu gewährleisten, müssen wir ein positives und motivierendes Arbeitsklima schaffen, das es ermöglicht, auch tiefgreifende Entscheidungen mitzutragen. Wir benötigen Vertrauen untereinander sowie Regions- und Teamgeist. Alle involvierten Akteur:innen müssen an einem Strang für die Region ziehen.

 

* An der KEM RÖG Wärmewende Eisenstadt & Umgebung beteiligen sich Eisenstadt, Breitenbrunn, Purbach a. Neusiedler See, Donnerskirchen, Schützen a. Gebirge, Oslip, Trausdorf a. d. Wulka, Wulkaprodersdorf, Zagersdorf, Klingenbach, Siegendorf, St. Margarethen i. Bgld., Mörbisch, Rust und Oggau a. Neusiedler See.

** EBO (Energiebericht Online) wurde vor 20 Jahren vom Energieinstitut Vorarlberg für e5-Gemeinden entwickelt und wurde über die Jahre ständig verbessert. Die Software für Energiebuchhaltung und Berichtslegung wird von vielen e5-Gemeinden und KEMs verwendet.

 

Weitere Informationen:

KEM RÖG Wärmewende Eisenstadt und Umgebung

Leitfaden zur „KEM – Raus aus Öl und Gas“