Sonne, Wein und Wadelkraft

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KEM-Manager im Porträt. Er kennt nach acht Jahren KEM-Management so gut wie alle, die in der Region Wagram mit Klimaschutz zu tun haben. Stefan Czamutzian treibt den Photovoltaikausbau voran, informiert, vernetzt und berät an allen Ecken und Enden. Nun nimmt er sich des Themas Alltagsradverkehr an.

Stefan Czamutzian versteht sich als „Kümmerer und Vernetzer“. Er möchte vor allem die „Stärken seiner Region stärken“. Dabei setzt er nicht auf herausragende Einzel- oder Pilotprojekte, sondern auf die konsequente und kontinuierliche Kooperation mit den KEM-Gemeinden, den Fachabteilungen und Organisationen des Landes Niederösterreich und nicht zuletzt mit den innovativen Menschen und Wirtschaftstreibenden in Tulln und am Wagram nördlich der Donau.

So fand er beispielsweise einen geeigneten Projektstandort für das Forschungsprojekt Car2Flex, in dem die Kombination aus bidirektionalem Laden und E-Carsharing für Wohnhausanlagen untersucht wird. „Die Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für unsere weitere Arbeit, aber das ist eindeutig das Projekt von Matthias Zawichowski“, meint er bescheiden – und Zawichowskis Verein fahrvergnügen.at erntete gemeinsam mit der NÖ Bau- und Siedlungsgenossenschaft den Österreichischen Solarpreis für das Projekt.

Sonnenkraft. Schon Ende 2019 konnte Czamutzian gemeinsam mit der Gemeinde Grafenwörth und der eNu ein erfolgreiches Bürgerbeteiligungsprojekt umsetzen. Mit dem Erlös aus den „Sonnenbausteinen“ konnten Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 147 kWp auf dem Haus der Musik, der Mittelschule und dem Kindergarten errichtet werden. Ein Jahr später verlief die Bürgerbeteiligung in Fels am Wagram so erfolgreich, dass zwei zusätzliche PV-Projekte verwirklicht werden konnten. Und auch in Großweikersdorf investierten die Menschen gerne in die Sonnenkraftwerke. Im Vorjahr setzte der Gemeindeabwasserverband (GAV) Mittleres Schmidatal ein 118-kWp-Sonnenkraftwerk mithilfe der Bürger:innen um.

„Aber auch andere Gemeinden wie Kirchberg, Königsbrunn oder Absdorf haben die KEM-Investitionsförderung zum PV-Ausbau kräftig genutzt“, freut sich Czamutzian. So konnten über die KEM in den vergangenen fünf Jahren 35 PV-Anlagen mit insgesamt 1,35 MWp Spitzenleistung errichtet werden. Das klimatisch wie politisch gute Umfeld für die PV lockte aber auch Investoren von außen an. So errichteten ECOwind und EVN die mit 14 Hektar größte schwimmende PV-Anlage Mitteleuropas auf zwei Schotterteichen in Grafenwörth. Der Strom aus der 24,5-MWp-Anlage reicht für rund 7.500 Haushalte. „Insgesamt liegt die KEM Wagram nun bei mehr als 1,5 kWp pro Einwohner:in“, freut sich Czamutzian.

Energie aus der Region. Im Herbst 2022 begleitete er die Gründung der Energiegemeinschaft Wagram. Gründungsmitglieder dieser Genossenschaft sind neun Gemeinden der Region gemeinsam mit der Raiffeisenbank Wagram-Schmidatal. Diese regionale Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) erstreckt sich über vier Umspannwerke nördlich der Donau und stand von Anfang an nicht nur den Gemeinden, sondern auch ihren Betrieben sowie privaten Verbraucher:innen und Einspeiser:innen offen. Inzwischen verfügt die Energiegemeinschaft über 300 Mitglieder mit 700 Zählpunkten. Bereits 2021 hatte die Bezirkshauptstadt Tulln mit ihren Nachbargemeinden südlich der Donau die Energiegemeinschaft Tullnerfeld gegründet.

Czamutzian begleitete die EEG in der Gründungsphase und unterstützt mit Öffentlichkeitsarbeit bei der Mitgliederwerbung. So wie er auch Beratungen und Informationsabende zu „Raus aus Öl und Gas“, erneuerbarer Energie, klimafreundlicher Landwirtschaft und Mobilität organisiert und/oder bewirbt: ein E-Mobilitätstag in Fels, ein Infostand beim Umwelttag und beim Energietag am Kirchberger Naschmarkt, Raus-aus-Öl Beratungstage in Tulln und Kirchberg, Unterstützung für die Oberstockstaller Dammkulturtage und den Radreparaturtag in Grafenwörth – auf die eine oder andere Weise ist der KEM-Manager immer dabei.

Regionale Ernährung. Und er führt gerne Menschen zu den Pionier:innen aus der Region und darüber hinaus, zum Beispiel zur GRAND FARM von Alfred Grand, der einen Forschungs- und Demonstrationsbauernhof in Absdorf betreibt. Hier werden Regenwurmkompost und Gemüse in Handarbeit hergestellt, regenerativer Bio-Ackerbau betrieben, und auch auf Bäume und Sträucher zwischen den Feldern vergisst der Betrieb nicht. Für den KEM- und seit 2019 auch KLAR!-Manager ein idealer Boden für Gespräche zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung in der Landwirtschaft. Eine 2022 veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass Bio-Gemüse aus der Marktgärtnerei mit deutlich besserer CO2-Bilanz im Vergleich zu Gemüse aus dem Lebensmitteleinzelhandel überzeugt. Nun startete er gemeinsam mit dem Betrieb ein Green-Finance-Projekt zum Aufbau einer regionalen Gemüseverarbeitung.

Schritte zu einem Radverkehrsnetz. Noch viele Jahre beschäftigen wird Czamutzian das Thema Radverkehrsinfrastruktur und die Motivation der Bevölkerung, dann auch tatsächlich aufs Rad umzusteigen. Die Region verfügt mit dem EuroVelo 6, besser als Donauradweg bekannt, über die beliebteste Strecke für den europäischen Radtourismus. Vom EuroVelo 6 zweigen mehrere touristische Radrouten nach Norden und Süden ab. Zum Teil kommen diese Routen auch Alltagsradfahrer:innen zugute. Abseits davon wird es im Wagram oft schwierig, und dieser Bereich ist deshalb nun Projektgebiet für die KEM.

„Tulln hat bereits sehr viel in innerstädtische Radwege und Radrouten investiert, auch in manchen anderen Orten gibt es sichere Verbindungen für den Alltag, aber leider nicht in allen. Die größten Probleme haben wir aber mit Verbindungen zwischen den lokalen Zentren und ihren Katastralgemeinden, die nur über zum Teil stark befahrene Landesstraßen erreichbar sind“, beschreibt Czamutzian den Status quo. Gemeinsam mit dem Mobilitätsmanagement NÖ werden in der KEM Wagram nun bestehende Potenziale erhoben und in eine „Arbeitskarte“ eingetragen, zum Beispiel schwach befahrene Nebenstraßen oder landwirtschaftliche Wege. Wichtige fehlende Verbindungen und mögliche künftige Verkehrsknotenpunkte werden identifiziert.

In der nächsten (gerade von ihm eingereichten) Weiterführungsphase möchte Czamutzian Schwerpunkte in den Bereichen Sanierung, aktive Mobilität und Mikro-ÖV setzen. Die Ausschreibung des Verkehrsverbunds Ostregion (VOR) steht vor der Tür – und da gilt es Verbesserungen für die Region zu erzielen.

Regions- und Weinkenner. Stefan Czamutzian setzt sich auch selbst gerne aufs Rad. Am liebsten fährt er mit seinem Rennrad entlang der Donau. Skifahren und Bergwandern sind weitere Hobbys des KEM-Managers. Er stammt aus Mautern, lebt aber seit über 20 Jahren in Fels am Wagram. Czamutzian ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter sowie einen fast erwachsenen Sohn. Und da er seine Region wie die eigene Westentasche kennt, bleibt ihm auch nicht verborgen, wer in der traditionellen Weingegend die besten edlen Tropfen im Fass hat.

Czamutzian studierte Forstwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien und absolvierte das internationale Masterstudium „Tourismus und Freizeitwirtschaft“ an der IMC Fachhochschule Krems. Er leitete bis 2012 das Qualitätsmanagement und die akkreditierte Zertifizierungsstelle des Instituts Holzforschung Austria und ist seit 2013 mit der Durchführung von Projekten im Bereich Regionalentwicklung und Tourismus in der Region Wagram beschäftigt – seit 2017 auch als KEM-Manager.

* Zur KEM Wagram gehören die Gemeinden Absdorf, Fels am Wagram, Grafenwörth, Großriedenthal, Großweikersdorf, Kirchberg am Wagram, Königsbrunn am Wagram, Stetteldorf am Wagram und Tulln an der Donau.

 

Weitere Informationen:
KEM Wagram
KEM Wagram auf klimaundenergiemodellregionen.at