So lautete der Titel einer gut besuchten Veranstaltung der KEM Elsbeere Wienerwald am 13. November im Bauhof Neulengbach. Es ging um bidirektionales Laden, das vor Ort auch praktiziert wurde. Im Forschungsprojekt Storebility2Market rund um die KEM wird die dazu benötigte Technik untersucht.
Es ist eine verrückte Welt. „Heute kosten stationäre Stromspeicher mehr als ein E-Auto mit derselben Speicherkapazität“, erklärt Matthias Zawichowski, KEM-Manager der Region Elsbeere Wienerwald. „Es ist sehr wichtig, diese fahrenden Speicher, die in der Regel aber mehr als 90 Prozent der Zeit herumstehen, in unser Energiesystem einzubinden.“
Enorme Speicherkapazität. Das Potenzial dafür ist riesig, bestätigt Kurt Leonhartsberger, KEM-Manager im Bezirk Perg und Zawichowskis Kollege im FFG-geförderten Forschungsprojekt Storebility2Market. „Aktuell werden 3,6 Prozent der Fahrzeuge in Österreich, rund 188.000 Kfz, rein elektrisch angetrieben. Gemeinsam weisen sie eine Leistung von mehr als 2.000 MW aus. Das entspricht einem Drittel aller österreichischen Pumpspeicherkraftwerke. E-Autos sollten daher ebenfalls zur Stabilisierung der Stromnetze und zur Reduktion fossiler Energie eingesetzt werden – ohne dass man fürchten muss, in der Früh zu wenig Strom in der Batterie zu haben.“
Das bidirektionale Laden wird seit jeher als großer Vorteil der E-Mobilität betrachtet. Allerdings lässt es sich derzeit nur in sehr eingeschränktem Maß umsetzen. Das hat mehrere Gründe:
Geeignete Ladestationen. Im Rahmen von Storebility2Market wurden bislang sechs Ladestationen getestet, die sich laut Hersteller für bidirektionales Laden eignen. „Nur zwei davon entsprachen unseren Erwartungen“, bedauert Leonhartsberger. Untersucht wird die Nutzung von Strom aus den Autobatterien in eigenen Gebäuden (Vehicle-to-Home) und die Einspeisung ins Netz (Vehicle-to-Grid). Hersteller von Ladestationen müssen nachweisen, dass ihre Geräte die Technischen Organisatorischen Regeln für Betreiber und Benutzer von Netzen (TOR) erfüllen. „Für Vehicle-to-Grid gibt es aber erst Vorserien und Prototypen, die diese Zertifizierungen natürlich noch nicht haben“, beschreibt Leonhartsberger die aktuelle Situation. „Und diese Nachweise sind in Österreich gleich neunmal zu erbringen, weil hierzulande dafür im Großen und Ganzen die bundesländerweit tätigen Netzbetreiber zuständig sind.“
Fazit: „Vehicle-to-Grid ist in Österreich derzeit, wenn überhaupt, dann nur mit proprietären – also jeweils nur für einzelne Automarken theoretisch nutzbaren – Ladesystemen oder nicht normkonform möglich“, resümiert Leonhartsberger. Dass an Versuchsstandorten dennoch E-Autobatterien angezapft werden können, um damit zum Beispiel eine Wärmepumpe am Projektstandort zu speisen, war nur durch die Kooperation und Ausnahmegenehmigung des regionalen Netzbetreibers im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt möglich.
Vielfacher Nutzen. „Die Netzbetreiber zeigen großes Interesse an unserem Forschungsprojekt, denn bidirektionales Laden könnte maßgeblich zur Stabilisierung der Stromnetze beitragen“, erläutert Zawichowski. „Und natürlich wäre es auch für unsere Energiegenossenschaft Elsbeere Wienerwald höchst interessant, Autobatterien integrieren zu können.“ Diese regionale Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft der KEM-Gemeinden öffnet sich mit 1. Jänner 2025 für die Zivilgesellschaft.
Am Bauhof werden in Kürze die derzeit sieben E-Autos der Neulengbacher Kommunalservice GesmbH an einer nagelneuen Ladestation bidirektional be- und entladen. Parallel dazu testet man im Forschungsprojekt Car2Flex in Stockerau und Absdorf die Verbindung von Vehicle-to-Grid und E-Carsharing in Mehrparteienwohnhäusern. Die NÖ Bau- und Siedlungsgenossenschaft und der Verein fahrvergnügen.at erhielten dafür kürzlich den Österreichischen Solarpreis 2024. Aber wann wird bidirektionales Laden in Österreich vom Forschungsgegenstand zur gelebten Praxis werden? „In etwa zwei Jahren“, gibt sich Zawichowski optimistisch.
Weitere Informationen:
KEM Elsbeere Wienerwald
KEM Bezirk Perg
Storebility2Market
Car2Flex