Interview. Sie stammt aus Bayern, ist seit zehn Jahren KEM-Managerin und fiel über die Jahre durch zahlreiche innovative und erfolgreiche Projekte auf. Monika Forster war schon mehrfach als KEM-Managerin des Jahres nominiert. Bei der heuer virtuellen Hauptveranstaltung der Klima- und Energie-Modellregionen am 29. September wurde sie nun auch von ihren 95 KollegInnen gewählt und heimste außerdem die Auszeichnung für das KEM-Projekt des Jahres – Paris–Vorderwald – ein.
KEM-Newsletter: Sie sind seit zehn Jahren Managerin der KEM Vorderwald. Mit welchen Erwartungen haben Sie damals Ihren Job angetreten – und sind diese dann eingetroffen?
Monika Forster: Als Mutter von zwei kleinen Kindern war das mein erster Job in Österreich. Ich war neugierig und froh über eine sinnstiftende Arbeitsstelle, die ich mit dem Familienalltag vereinbaren konnte. Etwas mulmig war mir beim Gedanken, wie die Vorderwälder auf eine „Dütsche“ (wie hier die Deutschen genannt werden) in dieser Rolle reagieren würden – komme ich doch selbst aus einer sehr ländlichen und dünn besiedelten Region am Rand von Bayern, wo Anderssprachige erst mal genauer betrachtet werden. Aber meine Sorgen waren völlig umsonst, sie begegneten mir sehr offen und waren für neue Ideen sehr zugänglich. Wir hatten von Anfang an eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
KEM-Newsletter: Sie haben es – trotz bayrischem Migrationshintergrund – schon nach einem Jahr geschafft, dass alle KEM-Gemeinden ihren BürgerInnen dieselben jährlich wechselnden Förderangebote unterbreiten, statt ihr eigenes Süppchen zu kochen. Wie gelang Ihnen das?
Monika Forster: Weil sich die Bürgermeister das gewünscht haben. Sie und das Energieteam sind voll dahintergestanden. Wir wollten Dinge anstoßen, für die es noch keine Unterstützung gab, die aber für möglichst viele Menschen relevant sind. Durch den jährlichen Wechsel der Förderangebote können wir auch auf aktuelle Trends reagieren. Manchmal ist es aber sinnvoll, bestimmte Förderungen nach ein paar Jahren erneut anzubieten.
KEM-Newsletter: Ihre KEM-Gemeinden ziehen offenbar bis heute an einem gemeinsamen Strang. So übergaben sie heuer eine Petition an das Land Vorarlberg, um auch auf Landesstraßen im Ortsgebiet leichter Tempo 30-Zonen einrichten zu können und eine sichere Radverbindung bis ins Rheintal zu bekommen. Wie stehen die Chancen dafür und wie sieht der Zeithorizont aus?
Monika Forster: Wir überarbeiten gerade unser Radroutenkonzept aus dem Jahr 2011. Aber wir müssen uns sehr anstrengen. Es ist eine Herausforderung, in einer dünn besiedelten und topografisch bewegten Region Mittel für Radwege zu erhalten. Schließlich kann man mit derselben Investitionssumme im dicht besiedelten Rheintal viel mehr Menschen zum Umstieg aufs Rad bewegen. Aber es laufen Untersuchungen, die alte Bahntrasse der Wälderbahn als Radweg umzugestalten. Wir vertiefen nun zumindest Projektideen, an die noch vor zwei, drei Jahren nicht einmal zu denken gewesen wäre.
2019 wurde das Vorarlberger Mobilitätskonzept beschlossen. Dieses sieht einen Leitfaden für die Einrichtung von Tempo-30- und Begegnungszonen vor, der aber noch in Arbeit ist. Mit der Petition wollten wir die Dringlichkeit dieser Anliegen betonen, denn in den Dörfern leiden die Menschen unter dem Durchzugsverkehr. Wir haben parallel dazu Ende September ein Bürgeraktivierungsprojekt mit dem Titel „Da und dort, schöner Ort“ gestartet. Darin geht es um die Ideen der Bevölkerung für die Attraktivierung der Ortskerne.
KEM-Newsletter: Unter dem Titel „Gut genug“ haben Sie eine Reihe von Projekten entworfen, bei denen es darum ging, dass BürgerInnen eigene Projekte entwickeln. Welche davon haben sich als am nachhaltigsten herausgestellt?
Monika Forster: Das ist schwierig. Schließlich waren es insgesamt 44 Projekte. Sehr gut gefällt mir das Projekt „Gemeinsam pflanzen, pflegen und ernten“, bei dem ein Gemeinschaftsgarten entstanden ist, der sich dauerhaft etabliert hat – und das Ernährungs- und Einkaufsverhalten in den teilnehmenden Familien nachhaltig verändert hat. In eine ähnliche Richtung geht ein Projekt, das sich um die Verwendung regionaler Produkte in den verschiedenen Vereinen bemüht. So wurde für einen Fußballverein beispielsweise ein regionaler und vegetarischer Kickerburger entwickelt. Beim Projekt E-Mobilität für die Hauskrankenpflege Vorderwald wurden 2016 erste Einsatzmöglichkeiten getestet. Ein Wintertest folgte, und im Mai diesen Jahres wurde schließlich ein E-Auto angeschafft. Dass es nicht immer nur ganz ernst zugehen muss im Klimaschutz, zeigte ein Projekt, bei dem ein Elektromobilitäts-Rap komponiert wurde, dann mit einem Kinderchor einstudiert und auf der Abschlussveranstaltung aufgeführt wurde.
KEM-Newsletter: Sie haben den Solaranlagen-Check und ein „Susi-Sorglos-Paket“ zur Installation von PV-Anlagen ins Leben gerufen – beides höchst erfolgreich. Ist die Nutzung der Solarenergie im Vorderwald inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden?
Monika Forster: Leider nein, aber das Bewusstsein ist stark gewachsen, vor allem für die Photovoltaik. Wir hoffen, dass durch das neue „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz 2020“ und die darin vorgesehenen Energiegemeinschaften noch mehr Photovoltaikanlagen installiert werden, weil sie sich auch bei wenig Eigenstromnutzung besser wirtschaftlich darstellen lassen – zum Beispiel auch auf Bauernhöfen, wo das solare Energieangebot und der Verbrauch zeitlich auseinanderklaffen.
KEM-Newsletter: Ihr preisgekröntes Projekt Paris–Vorderwald hat gezeigt, dass sehr bewusst handelnde Menschen schon jetzt die Parisziele erreichen können. Ist Bescheidenheit der Schlüssel zur Überwindung der Klimakrise – oder lassen sich auch Wohlstand und Klimaschutz vereinbaren?
Monika Forster: Mit mehr Geld kann man natürlich mehr klimaschädliche Dinge anstellen. Aber es liegt nicht am Geld, sondern am persönlichen Verhalten. Man kann sein Geld ja auch in regionale Bioprodukte, PV-Anlagen, in die thermische Gebäudesanierung oder ein E-Auto stecken.
KEM-Newsletter: Trotz aller erfolgreichen Projekte – gibt es auch Themen oder Aspekte, an denen Sie sich die Zähne ausbeißen?
Monika Forster: Es ist immer ein Auf und Ab zwischen Begeisterung und Resignation. Mir geht vieles zu langsam. Als KEMs allein werden wir die Klimakrise nicht meistern. Wir sind Wegbereiter, aber ohne klare ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen werden die Pariser Klimaziele nicht erreicht werden können. Anreizsysteme wie für Photovoltaik helfen enorm, aber wir brauchen auch klare Vorgaben, Gesetze und Steuerungsmechanismen. Anreize und Freiwilligkeit reichen nicht. Wir benötigen mutige, wirksame Schritte der Politik – und wir haben dafür verdammt wenig Zeit. Besonders schwierig ist die Mobilität im ländlichen Bereich. Obwohl wir ein gut ausgebautes Angebot im öffentlichen Personennahverkehr haben, sogar Nachtbusse, hat der Individualverkehr zugenommen. Das ist manchmal schon frustrierend.
KEM-Newsletter: Das Land Vorarlberg gilt als österreichischer Vorreiter in Sachen Umweltschutz, warum gibt es im Ländle trotzdem nur zwei KEMs?
Monika Forster: Natürlich hätte ich gerne mehr KEMs in Vorarlberg, das KEM-Programm bietet so viele Möglichkeiten, österreichweite Vernetzung und eine tollen finanziellen Rahmen. Ein Grund dafür könnte das e5-Landesprogramm sein, an dem sich mittlerweile 50 Prozent der Gemeinden beteiligen. Das ist die höchste Dichte in Österreich. Andererseits: Als wir die KEM Vorderwald gründeten, hatten wir bereits drei e5-Gemeinden, zwei Jahre später folgten zwei weitere. Ohne die im Rahmen des e5-Programms geschaffenen Strukturen und die Nutzung der gebündelten Expertise im Energieinstitut Vorarlberg auf kurzem Weg wäre der Erfolg unserer KEM nicht möglich gewesen. Die KEM arbeitet sehr eng mit den e5-Strukturen zusammen und bringt damit Projekte in der Gemeindearbeit besser in die Umsetzung. Umgekehrt werden erfolgreiche e5-Projekte über die KEM multipliziert. Im Vorderwald arbeiten die Gemeinden aber auch auf anderen Gebieten sehr eng zusammen – und das ist eine gute Basis für eine KEM.
KEM-Newsletter: Welchen Themen und Projekten möchten Sie sich in der Zukunft widmen?
Monika Forster: Momentan beschäftige ich mich stark mit Energiegemeinschaften und mit den Klimawirkungen der Landwirtschaft.
KEM-Newsletter: Auch heuer nehmen wieder neue KEMs ihre Arbeit auf. Was wären Ihre Tipps für die neuen KEM-ManagerInnen? Was würden Sie ihnen empfehlen, wovor würden Sie vielleicht auch warnen?
Monika Forster: Das Wichtigste ist wohl, in die Regionen hineinzuhorchen. Was wollen sie, worin liegt die Energie? Es bringt nichts, Projekte durchzuboxen, wenn in den Gemeinden keine Energie dahintersteckt. Wir können so manchen Hebel in den Köpfen betätigen und Anstoßprojekte umsetzen, die sich dann möglichst verselbständigen, also in die Eigenverantwortung der Gemeinden oder der Bevölkerung übergehen. Projekte nach Schema X bringen wenig, sie müssen ganz individuell zur jeweiligen Region passen.
KEM-Newsletter: Vielen Dank für das Gespräch.