Der Wiener Neustädter Kanal hat eine bewegte Geschichte. Diese wird aktuell durch ein Kraftwerksprojekt in der Klima- und Energie-Modellregion Baden bereichert. An der Schleuse 17, wo einst schon Dr. Oetker Strom für seine Fabrik gewann, soll im Frühjahr 2019 ein Kleinwasserkraftwerk mit 27 Kilowatt Leistung in Betrieb gehen.
Ingenieur-Oberstleutnant Sebastian von Maillard hatte in England das Kanalwesen studiert und wohl auch ein wenig für seinen Kaiser spioniert. Nach Maillards begeistertem Bericht beauftragte ihn Franz II. 1796, einen Kanal von Wien über Laibach bis zur Adria zu planen. Ein Traum, der spätestens im slowenischen Karst versickert wäre, wie sich später herausstellen sollte. Doch 1803 konnte nach zahlreichen gröberen Problemen immerhin der Kanalabschnitt zwischen Wien und Wiener Neustadt eröffnet werden. Kohle, Holz, Ziegel, Wein und andere Güter wurden verschifft. Und wer 36 Kreuzer hatte, konnte mit dem sogenannten Lustschiff zum Schloss Laxenburg fahren. 1879 wurde die Schifffahrt jedoch wieder eingestellt, nachdem die Eisenbahn die Transportaufgaben übernommen hatte.
Guter Standort. Schon 1935 und 1936 entstanden 13 Kleinwasserkraftwerke am Wiener Neustädter Kanal. Nach Ende des zweiten Weltkriegs baute auch Dr. Oetker ein Kleinkraftwerk für seine am Kanal gelegene Backpulverfabrik. Genau hier, am Rand von Baden, soll nun eine nigelnagelneue Wasserschnecke eingebaut werden. „Das alte Kraftwerk existiert nicht mehr, sehr wohl aber die Schleuse Nummer 17“, erläutert der Badener Energiereferatsleiter und KEM-Manager Gerfried Koch. „Daher sind nur minimale bauliche Maßnahmen nötig.“ Das macht das Vorhaben einerseits finanzierbar und anderseits mit dem Denkmalschutz vereinbar.
Das neue Kraftwerk am Industriedenkmal wird eine Leistung von 27 Kilowatt aufweisen und rund 200.000 Kilowattstunden an den benachbarten Bauhof der Gemeinde liefern. „Da wir am Bauhof gar nicht so viel Strom brauchen, wird auch die Firma Lindner nebenan mitversorgt“, erklärt Koch. Die Kosten des Projekts beziffert er mit rund 300.000 Euro, die Amortisationsdauer liege bei 18 Jahren. Ihr steht eine Lebensdauer von 50 bis 60 Jahren gegenüber. „Die Wasserkraftschnecke ist wartungsarm und besonders für Standorte mit geringem Gefälle geeignet“, so Koch.
Rascher Baubeginn. Die umfassenden Planungsarbeiten und Behördenverfahren sind abgeschlossen. Die wichtigsten Bauarbeiten werden während der Abkehr des Wiener Neustädter Kanals vom 6. bis 14. Oktober durchgeführt. Im Frühjahr 2019 soll die von Pöyry Energy maßgefertigte Wasserkraftschnecke eingebaut werden. Generalunternehmer des Projektes ist Baumeister Günter Steurer. Die Stadtgemeinde Baden erhöht mit dem neuen Kraftwerk ihre Ökostromproduktion auf jährlich rund 880.000 Kilowattstunden. Das entspricht dem Strombedarf von 320 Einfamilienhäusern.