Mehr Hitzetage, mehr Tropennächte, eine höhere Pollenbelastung und neue invasive Insektenarten: Der europaweit einzigartige Sachstandsbericht „Gesundheit, Demographie und Klimawandel“ im Auftrag des Klima- und Energiefonds fasst erstmals die gesundheitlichen Risiken des Klimawandels zusammen und zeigt Handlungsoptionen für die Bevölkerung und den Staat auf.
„Der Hitzegürtel, den wir von unseren Urlauben etwa in Kroatien, Süditalien, Spanien, oder Griechenland kennen, dieser Hitzegürtel wird sich in unsere Breiten hinaufschieben und unser gemäßigtes Klima verdrängen“, erklärt Klimafonds-Geschäftsführer Ingmar Höbarth, was Klimawandel für Österreich bedeutet. „In der Urlaubszeit mag das heiße Wetter zwar verlockend sein, wir wissen aber auch von den erschwerten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen bei hohen Temperaturen. Nicht umsonst gibt es im Süden die Siesta.“
Hitze. Eine ausgedehnte Mittagsruhe wird wohl bald auch in Wien angesagt sein. Gab es vor zehn Jahren noch durchschnittlich sechs Tage mit über 30°C in Folge, dauerte die Hitzewelle heuer ganze 32 Tage. Auch die sogenannten Tropennächte, in denen die Temperatur 20°C nicht unterschreitet, werden immer mehr. Vor allem ältere Menschen und Kranke leiden darunter – ganz besonders in den Städten. In Wien gab es heuer 40 Tropennächte, so viele wie noch nie seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen.
Laut dem nun vorliegenden Special Report des Austrian Panel on Climate Change (APCC) wird sich die Zahl der Hitzetage bis Mitte des Jahrhunderts verdoppeln. Gleichzeitig steigt die Bevölkerungsgruppe der über 65-jährigen um zehn Prozent. Damit nehmen insbesondere in dicht verbauten Gebieten die gesundheitlichen Risiken stark zu.
Allergien. Im Zuge des Klimawandels rechnen die ForscherInnen außerdem mit einer erhöhten Pollenbelastung, allen voran durch Ragweed (Traubenkraut, Ambrosia). Bereits heute sind rund 1,75 Millionen und damit rund 20 Prozent der ÖsterreicherInnen von allergischen Erkrankungen betroffen. Folgt Österreich dem europäischen Trend, könnten es innerhalb der nächsten zehn Jahren 50 Prozent werden.
Zunehmend finden auch subtropische und tropische Stechmücken-Arten wie die Tigermücke und die Buschmücke hierzulande bessere Überlebensbedingungen vor. Sie können gefährliche Krankheiten übertragen, weshalb ihre Ausbreitung überwacht werden muss.
Extremwetter. Nicht zuletzt werden extreme Niederschläge, länger andauernde Trockenheit oder heftigere Stürme im Zuge des Klimawandels erwartet, was nicht nur hohe wirtschaftliche Kosten etwa durch Hochwasserschäden oder Ernteausfälle verursacht, sondern auch lokale Auswirkungen auf die heimische Wasserqualität und -verfügbarkeit hat.
Um die Transformation unseres Gesamtsystems im Hinblick auf den Klimawandel gezielt voranzutreiben und die größtmögliche Wirkung zu erzielen, ist es dem über 60-köpfigen ForscherInnenteam zufolge notwendig, Klima und Gesundheit nicht getrennt voneinander, sondern systemübergreifend zu betrachten. „Sobald wir die Auswirkungen des Klimawandels auf alle unsere Lebensbereiche erkennen, kann es gelingen, passende Maßnahmen sowohl auf politischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene zu identifizieren, als auch deutlich zu machen, wie jeder und jede Einzelne von uns bei einem klimatauglichen Leben unterstützt werden kann“, erklärt Willi Haas vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur Wien, der zentrale Studienautor.
Gegensteuern. Der Sachstandsbericht „Gesundheit, Demographie und Klimawandel“ beschreibt nicht nur die umfangreichen gesundheitlichen Bedrohungen durch den Klimawandel, sondern zeigt auch konkrete Handlungsalternativen auf – für die Politik ebenso wie für jede/n Einzelne/n. Hier nur einige Beispiele: Mehr Grün in den Städten könnte die Situation während Hitzewellen verbessern. Eine Umstellung der fleischlastigen Ernährung kommt der Gesundheit und dem Klimaschutz gleichermaßen zugute. Ragweed sollte österreichweit vor der Samenbildung gemäht werden. Grundlegende Änderungen empfehlen die StudienautorInnen auch in den Bereichen Mobilität und Gebäudesanierung.
„Der Rekordsommer 2018 hat gezeigt: Der Klimawandel ist real und seine Auswirkungen sind deutlich spürbar. Mit der vorliegenden Studie, die der Klima- und Energiefonds in Auftrag gegeben hat, wurden fundierte Fakten geschaffen. Nun brauchen wir konkrete Lösungen, um für die Zukunft gerüstet zu sein“, unterstrich Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger anlässlich der Präsentation des Sachstandsberichts.