Dicht gepresst ist der landwirtschaftliche Reststoff Stroh ein kostengünstiges und nachhaltiges Baumaterial. Der Strohballenbau nahm vor etwa 125 Jahren seinen Ausgang in den USA und stößt seit den 1990er-Jahren auch in Europa auf immer mehr Interesse. Heidrun Kögler, KEM-Managerin in der Energiekultur Kulmland, brachte bei einem Workshop in Pischelsdorf gemeinsam mit dem Strohbauexperten Virko Kade einschlägiges Wissen unters Volk.
Entstanden ist der Strohballenbau aus der Not heraus. Womit soll man bauen, wenn es weit und breit weder Wald noch Ziegelbrennerei oder Steinbruch gibt? Die Erfindung der Strohballenpresse gab die Antwort. Zwischen 1915 und 1930 erlebte der lasttragende Strohballenbau eine Hochblüte in Nordamerika. Einige dieser Häuser im sogenannten Nebraska-Stil stehen bis heute, obwohl sie weder von Holz- noch von Stahlträgern oder konventionellem Mauerwerk gestützt werden. Genau so ein Gebäude entsteht nun in der Steiermark.
Beispielhaftes Häuschen. Es handelt sich um eine Hütte für einen in Gründung befindlichen Gemeinschaftsgarten im Ortskern von Pischelsdorf. Hier soll ab nächstem Jahr Biogemüse sprießen. „Da passt ein nachhaltiges Gartenhäuschen perfekt dazu“, dachte sich Heidrun Kögler. Neun Quadratmeter fürs Werkzeug und eine Terrasse für die Hobby-GärtnerInnen soll es bieten und noch heuer fertig werden. Damit nicht genug, veranstaltete die KEM-Managerin Ende August einen Workshop, um angehende Bauherren und -frauen über diese ökologische Bauweise zu informieren.
Dazu lud sie den Strohbauexperten Virko Kade aus Riegersburg ein, der sein umfangreiches Know-how in einem weiteren Workshop Anfang September auch an MitarbeiterInnen von Firmen aus dem Bauwesen weitergab. „Mehr als die Hälfte der privaten Workshop-TeilnehmerInnen überlegen, selbst ein Haus mit Stroh zu bauen“, freut sich Virko Kade. „Auch bei den Bauprofis war das Feedback überaus positiv.“
Warum Stroh? Die Begeisterung für das blonde Baumaterial hat viele gute Gründe:
• Stroh ist ein nachwachsender Rohstoff und fällt als landwirtschaftlicher Reststoff in weiten Teilen Österreichs reichlich an.
• Das Pressen von Stroh benötigt wenig „graue“ Energie, also Energie für die Herstellung.
• Wenn man weiß, was man tut, kann man mit Stroh durch das preiswerte Baumaterial und Eigenleistung ein durch und durch ökologisches Haus um den Preis eines konventionellen bauen.
• Strohballen können als Ausfachung in Holzriegelbauten verwendet werden oder auch als „Bausteine“, die dann direkt verputzt werden – in der Regel mit Lehmputz innen und Kalkputz außen. Das ergibt einen dampfdiffussionsoffenen Wandaufbau und schafft besondere Behaglichkeit in den Räumen.
• Strohballen sind „normalentflammbare“ Baustoffe. Verputzte Strohballenwände widerstehen Bränden sehr lange – weit länger als Fassaden mit Kunststoffdämmung.
Beste Dämmung. Bloß der Baugrund sollte nicht allzu eng bemessen sein. Denn dort, wo konventionelle Dämmstärken enden, beginnt das Bauen mit Strohballen erst. 44 Zentimeter – das Maß eines Kleinballens – sind das Minimum. Mit dem sogenannten Jumboballen und beidseitiger Putzschicht können es sogar bis zu 125 Zentimeter Wandstärke werden. Der U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient) einer solchen Wand liegt dann weit unter der Hälfte jenes Werts, der für besonders energieeffiziente Passivhäuser verlangt wird.
„Es ist eine Freude, mit Virko Kade zusammenzuarbeiten, der als Gründer der Firma Stroh und Lehm bereits vor 15 Jahren erste Erfahrungen im Strohballenbau sammelte und in der Zwischenzeit mehr als 40 Strohbauprojekte begleitet hat“, meint KEM-Managerin Heidrun Kögler. Und so weiß er natürlich auch, worauf man beim Strohballenbau besonders aufpassen muss. „Es ist wichtig, dass die Strohwände gleichmäßig dicht sind. Lücken müssen manuell gestopft werden“, erläutert der Experte. „Die Strohballen dürfen weder bei der Lagerung noch während des Baus nass werden. Wie bei jedem Hausbau ist auch hier besonders auf die ordnungsgemäße Ausführung der Anschlüsse zu achten: Sockel, Dach, Fenster und die Durchlässe für Leitungen aller Art.“
Professionelle Baubegleitung. Beim Strohballenbau kann zwar viel Eigenleistung eingebracht werden, doch eine Baubegleitung durch im Strohbau erfahrene ExpertInnen sei dringend zu empfehlen, so Kade. „Im Idealfall beginnt meine Tätigkeit schon in der Planungsphase, etwa beim Festlegen des Wandaufbaus. Die Ausführung sollte dann mit den beteiligten Firmen und den ‚Häuslbauern‘ detailliert besprochen oder – noch besser – vor Ort demonstriert werden.“
Strohballen sind in Österreich übrigens seit einigen Jahren ein zertifizierter Baustoff. „Im deutschsprachigen Raum gibt es drei Firmen, die zertifizierte Ballen anbieten“, erklärt Kade. Eine davon ist die Firma SonnenKlee in Kematen/Ybbs. „Sofern von der Baubehörde ein Zertifikat gefordert wird, kann man aber auch regionale Strohballen zertifizieren lassen. In der Steiermark und im Burgenland ist das bei Einfamilienhäusern derzeit noch die Ausnahme, doch das könnte sich künftig ändern.“
Frustrierte Mäuse. Natürlich sollte man für ein nachhaltiges Strohbauprojekt nur Ballen von pestizidfrei bewirtschafteten Feldern einsetzen. Trotzdem müsse man sich keine Sorgen machen, dass es sich Mäuse im Biostroh gemütlich machen, weiß Kögler. „Die Ballen sind so dicht gepresst, dass sich Mäuse lieber durch Kunststoffdämmung fressen als durchs Stroh.“