KEM-Manager im Porträt. Der Ausbau der Nahwärmenetze und der Photovoltaik sowie das Thema Wasserstoff stehen auf der Agenda von Christoph Urschler. Auch der Schatz aus der Tiefe, 60 bis 65 °C warmes Wasser, soll in der KEM Bad Waltersdorf & Buch-St. Magdalena noch besser genutzt werden.
Zwischen drei- und fünfmal pro Jahr organisiert Christoph Urschler Energie-Stammtische in seiner knapp 5.000 Einwohner:innen zählenden Klima- und Energie-Modellregion. Und der persönliche Kontakt zeigt Wirkung. „Vor einigen Monaten hat mich eine Familie um einen Beratungstermin gebeten“, erinnert sich Urschler an eine besondere Begebenheit. „Am Tag davor wurde ich von der Familie nochmals angerufen. Zuerst dachte ich: Oje, Verschiebung. Aber dann kam die Frage, ob noch jemand dazukommen dürfe. Letztlich bin ich mit einem Dutzend Leuten aus fünf Familien um den Tisch gesessen – und nun werden fünf fossile Heizungen durch Pellets und Wärmepumpen ersetzt.“
Geothermie und Biomasse. 20 bis 30 fossile Heizsysteme wurden bislang pro Jahr umgestellt. In Zukunft könnten es noch deutlich mehr werden, denn Urschler führt derzeit drei bis fünf Beratungen pro Woche durch. Eine besondere Energiequelle ist hier tief im Erdboden zu finden. Ende der 1970er-Jahre bohrte man nach Erdöl, stieß aber auf Thermalwasser. Trotz zahlreicher Unkenrufe gelang es, 1981 die erste Geothermie-Nahwärmeheizung Mitteleuropas in Betrieb zu nehmen. Die KEM verfügt außerdem über zwei Biomasse-Nahwärmenetze.
Die Heiltherme Bad Waltersdorf wird samt Hotel mit der Wärme aus dem Untergrund beheizt. Dabei kommt eine Wärmepumpen-Kaskade zum Einsatz. Sogar dem Schwallwasser, also dem aus den Schwimmbecken überlaufenden Wasser, wird Wärme entzogen. Ebendiese Wärmepumpentechnologie soll auch bei der geplanten Erschließung des nördlichen Teils von Bad Waltersdorf mit Nahwärme zum Einsatz kommen. Als Energiequelle dient dabei vor allem die H2O-Therme in Sebersdorf.
Massiver PV-Ausbau. Der Ausbau der Photovoltaik sei inzwischen zum „Selbstläufer“ geworden, meint der KEM-Manager. In Bad Waltersdorf wurden das Schulzenturm, das Freibad und das Kulturhaus mit PV-Anlagen ausgestattet. Die Kläranlagen in Sebersdorf und Leitersdorf erhielten jeweils eine 35-kWp-Anlage. Die Abwasserreinigung in Mitterndorf wurde ebenso mit einer 10-kWp-Anlage ausgestattet und in Betrieb genommen.
„Auch die Betriebe setzen zunehmend auf Sonnenstrom und haben bereits einige hundert kWp errichtet“, freut sich Urschler. „Nun gibt es auch Pläne für 600 bis 700 kWp bei einem großen Obsthandelsunternehmen, und auf dem Gelände eines ehemaligen Schotterwerks soll eine PV-Anlage mit 2 MWp entstehen.“
Zukunftsszenarien. Dieses enorme Angebot an Ökostrom lässt Urschler jetzt weitere Visionen schmieden: Die KEM Bad Waltersdorf & Buch-St. Magdalena könnte zu einem Wasserstoff-Kompetenzknoten werden. „Getreu dem Motto ‚regional erzeugen, verteilen und verbrauchen‘ könnte grüner Wasserstoff aus einer eigenen Elektrolyseanlage ein wichtiger neuer Baustein werden“, so Urschler. „Die Abwärme der Elektrolyse wiederum könnte für die Wärmenetze oder durch Umwandlung in Absorptionskältemaschinen für ein Kältenetz genützt werden.“ Ab Herbst möchte sich Urschler gemeinsam mit dem LEADER-Büro und den Gemeinden auch dem Thema Energiegemeinschaften widmen.
Vergangenen Herbst organisierte Urschler ein Schulprojekt mit dem Titel „Energy Scout“. Schüler:innen der MS Bad Waltersdorf begaben sich in drei Gruppen auf die Suche nach Einsparpotenzialen in den Bereichen Wärme, Strom und Wasser und stellten ihre Ergebnisse vor. Die beste Präsentation sollte ausgezeichnet werden, doch letztlich gab es drei Gewinnerteams und regionale Essensgutscheine für alle beteiligten Schüler:innen. Für den heurigen Herbst ist ein Nachfolgeprojekt zu einem anderen Thema geplant.
Elektrisch mobil. Für die E-Mobilität auf vier Rädern wurden etliche Ladestationen errichtet, drei Schnellladestationen sollen folgen. Weiters wurde ein flächendeckendes E-Bike-Konzept entwickelt und umgesetzt. Neben der Einrichtung eines E-Bike-Verleihs und der Beschilderung der Routen wurden acht Reparatur- und Ladestationen bereitgestellt. Das überwiegend touristisch genutzte Radnetz bietet Anschlüsse Richtung Hartberg und Loipersdorf.
Christoph Urschler studierte Gebäudetechnik und Gebäudemanagement an der FH Pinkafeld und ist Energieauditor für Gebäude und Prozesse. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter im Alter von 11 und 13 Jahren. Seine Freizeit verbringt er am liebsten im Garten. Der macht nicht nur viel Arbeit, sondern liefert das ganze Jahr über erntefrische Köstlichkeiten wie Marillen, Erdbeeren, Gurken, Zucchini, Karotten, Salat und Erdäpfel. Im Sommer liebt es die Familie, über die Adria zu segeln