Greenstarter im Porträt. Rund ein Viertel aller österreichischen Haushalte heizt mit Nah- oder Fernwärme. Knapp zehn Prozent der heimischen CO2-Emissionen entfallen auf diesen Sektor. Stefano Coss möchte mit seinem Start-up Arteria Technologies die Emissionen senken und die Effizienz der Wärmenetze zugunsten von Betreibern und KundInnen steigern.
Biomasse gilt als klimaneutral. Allerdings dürfen in Österreich bis zu 20 Prozent der Wärme auch aus fossilen Quellen – in der Regel Erdgas – stammen. Vor allem in der Früh und am Nachmittag wird Erdgas eingesetzt, um die Lastspitzen abzudecken. „Um die Effizienz in den Wärmenetzen zu steigern, fehlt es den Betreibern jedoch an den erforderlichen Daten“, weiß Coss aus seinem Energietechnik-Studium an der Montanuniversität Leoben und der Ecole de Mines de Nantes sowie der praktischen Arbeit für mehrere Betreiber.
Digitaler Zwilling. Diese für den Betrieb und das Service wichtigen Daten bereitzustellen, ist das erklärte Ziel von Arteria Technologies. Dazu entwickelte Coss eine Software für eine Webplattform, die einen „digitalen Zwilling“ des Wärmenetzes erstellt. Damit kann simuliert werden, wie sich Veränderungen im Netz – sei es durch neue Anschlüsse oder zusätzliche Wärmequellen – auf das gesamte System auswirken.
„Die Software schafft komplette Transparenz an jedem Punkt im Netz“, sagt Coss. „So lässt sich statt mit ‚Daumen mal Pi‘ nun exakt ermitteln, wie sich neue Anschlüsse oder eine Verdichtung des Netzes auf den Betrieb auswirken werden.“ Gleichzeitig wird erkennbar, an welchen Stellen die zusätzliche Einspeisung von Wärme – sei es aus Kraft-Wärme-Kopplungen, thermischen Solaranlagen oder Wärmepumpen – am sinnvollsten wäre. „Die Integration dezentraler Wärmepumpen beispielsweise bietet ein riesiges Potenzial – einerseits zur Senkung von Lastspitzen, anderseits zur sinnvollen Verwertung von Überschussstrom“, so Coss. „Solarthermie wiederum ist eine nachhaltige Lösung für die Warmwasserversorgung außerhalb der Heizsaison.“
Gezielte Raumplanung. Weiters lassen sich aus den Daten auch wertvolle Erkenntnisse für die Energieraumplanung der Gemeinden (und KEMs) ableiten: In welchen Netzbereichen gäbe es noch Kapazität für zusätzliche KundInnen – oder umgekehrt, wo wären neue Siedlungen und Firmengebäude mit hohen Kosten für den Betrieb des Wärmenetzes verbunden? Mittelfristig soll die Plattform auch das Angebot dynamischer Tarife ermöglichen. Damit könnten durch eine zeitliche Verschiebung der Wärmelieferung die teuren Lastspitzen wie auch der Einsatz von Erdgas gesenkt werden – vorausgesetzt, die KundInnen stimmen zu.
Finanzieren soll sich Arteria aus einem Anteil an den erzielten Einsparungen der Netzbetreiber. Ein Prototyp der Software ist bereits in der Schweiz im Testbetrieb. Im Herbst soll die Proof-of-Concept-Phase starten, im Sommer 2022 die Betaversion vorliegen. Aktuell ist Coss auf der Suche nach PartnerInnen im Bereich der IT-Entwicklung mit Erfahrung in den Bereichen IOT („Internet der Dinge“) und Cyber-Security. Auch die Stelle eines CTO (Head of IT) wäre zu vergeben. „Ein wichtiger Aspekt ist natürlich auch der Datenschutz“, erklärt Coss. Herzlich willkommen sind selbstverständlich auch Wärmenetzbetreiber und Gemeinden für gemeinsame Pilotprojekte.