Monika Forsters Leitprojekt Paris–Vorderwald ist im Osten Österreichs angekommen. Im heurigen Mai versuchten 20 Familien aus Baden bei Wien, so klimafreundlich zu leben, wie es das Pariser Klimaschutzabkommen vorsieht. Paris–Baden zeigte, dass es nicht nur auf dem Land, sondern auch in Ballungsräumen verdammt schwer ist, den Ansprüchen gerecht zu werden.
64 Personen aus 20 Badener Familien haben sich redlich bemüht, ihr Leben vier Wochen lang klimaverträglich zu gestalten. Als Messinstrument diente ihnen die von Kairos weiterentwickelte App Ein guter Tag hat 100 Punkte. 100 Punkte entsprechen 6,8 Kilogramm CO2-Äquivalent. Das ist jene Menge an Emissionen, die gemäß den Pariszielen jedem Menschen pro Tag „zusteht“. „Zu Beginn der Testwochen erreichten die TeilnehmerInnen 150 bis 650 Punkte – im Schnitt 247“, erklärt Gerfried Koch, KEM-Manager und Energiereferatsleiter in Baden. „Am Ende lag der Durchschnittswert bei 153 Punkten.“
With a little help. Trotz Pandemie und Lockdown bot die KEM den TeilnehmerInnen eine Reihe von Hilfestellungen an: zahlreiche Workshops, die meisten davon online, eine kostenlose Energie- und Mobilitätsberatung, vergünstigte Gemüsekisten vom Bio-Markt, Strommessgeräte sowie die kostenlose Nutzung von E-Bikes, Lastenrädern und E-(Carsharing-)Autos. „Dennoch erreichten erwachsene TeilnehmerInnen die 100-Punkte-Marke nicht. Das Experiment hat uns klar aufgezeigt, dass es große Anstrengungen auf allen Ebenen der Gesellschaft braucht, und dass die Klimaziele nur mit individuellen Maßnahmen jedes Einzelnen nicht erreichbar sind“, so Koch.
Laut einer Untersuchung von Kairos verbrauchen ÖsterreicherInnen im Schnitt 450 Punkte täglich. Sie verursachen also viereinhalbmal so viel Treibhausgasemissionen, wie zum Erreichen der Parisziele erforderlich wären. Paris–Baden zeigt – wie auch die Vorgängerprojekte –, dass ein klimafreundliches Leben auch mit großer persönlicher Anstrengung sowie bestmöglicher Information und Unterstützung derzeit kaum möglich ist. Es braucht neue politische Rahmenbedingungen.
Persönliche Erkenntnisse. Aus den vier Testwochen zogen die Badener TeilnehmerInnen mannigfaltige Schlüsse und formulierten eine lange Liste von Empfehlungen an die Politik – an die Stadt, das Land und den Bund:
„Einige TeilnehmerInnen entwickelten auch Eigeninitiative“, freut sich Koch. „So wurden eine gemeinsame Einkaufsfahrt mit dem Rad zu einem Bauernhof organisiert und Pflanzen getauscht.“ Am 23. Juni findet die Abschlussveranstaltung statt.
Acht Klimaschutzexperimente. Paris–Baden ist bereits das dritte Nachfolgeprojekt von Paris–Vorderwald. Im Vorjahr folgten sieben Familien der Einladung von KEM-Managerin Sabine Pommer und beteiligten sich am Klimaschutzexperiment Paris–Vöckla-Ager. Sie konnten ihre durchschnittliche Punktezahl von 354 auf 200 senken. Großen Anteil daran hatte ein Teilnehmer, der seinen mit zahlreichen Flugreisen verbundenen Job aufgab und seine Punkte von fast 3.000 auf 230 reduzieren konnte. In der Region amKumma (Altach, Götzis, Koblach und Mäder) senkten zwölf Haushalte ihre Emissionen vergangenen Oktober von 170 auf 128 Punkte.
Im Rahmen von Paris–Großes Walsertal sollen sich im Oktober 2021 zwölf Haushalte der Challenge stellen, so KEM-Manager Andreas Bertel. Für das nächste Jahr planen die Klima- und Energie-Modellregionen Sterngartl-Gusental (Simon Klambauer) und Amstetten Nord (Klemens Willim) vergleichbare Experimente. Auch Rupert Wychera (KEM Tullnerfeld OST) plant für 2022 oder 2023 ein entsprechendes Projekt. Gerfried Koch regt an, die Erfahrungen aller acht „Paris-Experimente“ in einem gemeinsamen Katalog zu sammeln – als spannende Lektüre für PolitikerInnen aller Ebenen.