Parisziele und Alltag – schaffen wir das?

4 Paris Vorderwald

Paris–Vorderwald heißt das aktuelle Leitprojekt der Klima- und Energie-Modellregion (KEM) Vorderwald. Darin probierten 14 Haushalte das aus, was die Weltpolitik im Rahmen des Pariser Klimaabkommens versprochen hat – ein Leben mit geringem ökologischen Fußabdruck. Aber lässt sich das in ländlichen Regionen schon jetzt realisieren?

„Wir warten nicht, bis sich Gesetze und Rahmenbedingungen von selbst ändern. Wir probieren es jetzt aus.“ So lautet das Motto von Monika Forsters Projekt Paris–Vorderwald. 14 Haushalte im Vorderwald wollten es genau wissen. Sie haben gemeinsam mit dem Projektteam* ihre persönliche CO2-Bilanz ermittelt und versuchten, von 1. bis 30. Mai so klimafreundlich wie möglich zu leben.

Gute Vorbereitung. Jede teilnehmende Familie erhielt  600 Euro Budget, das sie für Sachkosten aufwenden konnte – von LED-Lampen und Energieberatungen über die E-Auto-Miete bis zum Bio-Gemüse-Kistl oder einer Kochberatung vor Ort. E-Autos, E-Fahrräder sowie Fahrradanhänger standen zur Verfügung. „Wir zeigten den Haushalten Möglichkeiten auf, luden sie ein, Neues auszuprobieren und neue Erfahrungen zu sammeln“, erklärt KEM-Managerin und Projektleiterin Forster. „Was sie innerhalb der vier Wochen taten, um ihren ökologischen Fußabdruck zu senken, blieb den Familien völlig selbst überlassen.“

Um sich nicht mit Gramm oder Kilogramm CO2 herumschlagen zu müssen, wurden diese in Punkte umgerechnet. Dazu diente eine von Kairos eigens für das Projekt entwickelte Handy-App. Sie basiert auf der Webplattform Ein guter Tag hat 100 Punkte. 100 Punkte entsprechen einem CO2-Äquivalent von 6,8 Kilogramm. Das ist jener Wert, der von der Wissenschaft derzeit als klimaverträglicher Ausstoß pro Person und Tag erachtet wird. Vor Projektstart erreichten die 64 teilnehmenden Personen durchschnittlich 168 Punkte – mit einer Schwankungsbreite von 61 bis 479 Punkten. Der Durchschnitt in Österreich liegt bei rund 450 Punkten.

Großes Engagement. Ende Mai wurde abgerechnet. Die teilnehmen Familien konnten ihre Punkteanzahl im Durchschnitt auf 138 senken. „Sehr gut geklappt haben Umstellungen im Ernährungsbereich. Es kam weniger Fleisch, dafür mehr Gemüse und Regionales auf den Tisch“, analysiert Forster die Ergebnisse. Als schwieriger erwies sich die Mobilität, obwohl der Landbus im Vorderwald ein im Vergleich zu anderen Regionen gutes öffentliches Verkehrsangebot bietet. Viele Familien benutzten E-Bikes. Drei E-Bikes wurden inzwischen privat angeschafft. Manche werden das Radeln aber wieder bleiben lassen, solange es keine sicheren Radwege für ihre Fahrziele gibt.

Etwa die Hälfte des persönlichen CO2-Ausstoßes entfallen auf den Bereich Konsum und Freizeitverhalten. Es zeigte sich, dass Familien mit geringem Einkommen und solche mit landwirtschaftlicher Selbstversorgung schon jetzt im Einklang mit den Pariszielen leben können. Das stimmt das Projektteam optimistisch – ebenso wie das Echo, dass die Familien das Projekt nicht als Verlust, sondern oft sogar als Gewinn für die Lebensqualität erlebten. „Fast unmöglich ist das Erreichen der Klimaziele derzeit jedoch bei zahlreichen Reisen oder weiten Pendelfahrten zur Arbeit oder Schule – selbst wenn die Wege mit dem Landbus zurückgelegt werden. Denn der fährt leider noch nicht elektrisch“, so Forster. Kairos-Geschäftsführer Martin Strele ergänzt: „Klar ist auch: Wenn man die 100 Punkte erreichen möchte, ist es mit dem jährlichen Urlaubsflug vorbei.“

Feedback an Politik. „Die PolitikerInnen fast aller Staaten der Welt haben unterschrieben, dass wir die globale Erwärmung auf 2° C oder noch besser auf 1,5 °C begrenzen müssen. Paris–Vorderwald hat gezeigt, was jetzt schon möglich ist und inwieweit politische Rahmenbedingungen geändert werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen“, sagt Forster. „Ich lade alle KEMs herzlich ein, das Projekt zu kopieren. Jede Region bietet andere Chancen und Hürden für klimafreundliches Verhalten. Diese auszuloten und daraus konkrete politische Maßnahmen abzuleiten, könnte uns ein gutes Stück voranbringen.“

Für die überwiegende Mehrheit der 14 Haushalte steht nach dem Selbstexperiment fest: CO2 muss einen Preis bekommen. Der Erlös daraus müsse gleichmäßig an die Bevölkerung ausgeschüttet werden, meint Strele und sieht sich dabei in Einklang mit Forderungen der Fridays-for-Future-Bewegung. „Damit würde klimaschädliches Verhalten teurer und klimafreundliches belohnt.“

In den nächsten Wochen wird das Projektteam die Politik mit den Erfahrungen und Forderungen der 14 Haushalte konfrontieren. Fix ist bereits eine Diskussionsveranstaltung am 12. November im ORF-Landesstudio Vorarlberg. Man darf gespannt sein, wie die VolksvertreterInnen reagieren werden.

 

*Martin Strele von Kairos – Institut für Wirkungsforschung und Entwicklung ist Projektpartner. Fachlich begleitet wird das Projekt zudem von Karin Feurstein-Pichler (Energieautonomie Vorarlberg), Helmut Burtscher (Illwerke VKW Gruppe), Eckart Drössler (Energieinstitut Vorarlberg) und Georg Bals (Energieregion Vorderwald).