Top-Ten-greenstarter. Lastspitzen im Stromnetz sind ein altbekanntes Problem. Damit die Stromnetze in Zeiten von extrem hohem Stromverbrauch nicht zusammenbrechen, werden zur Abdeckung dieser Lastspitzen meist Erdgas- und Kohlekraftwerke hochgefahren. Es gäbe allerdings eine ökologische Alternative, nämlich den Verbrauch kurzfristig zu senken – und genau das hat sich das Start-up Lastbörse vorgenommen.
In den Lastprofilen der Stromnetzbetreiber kann man gut nachverfolgen, wann die Menschen morgens ihre Kaffeemaschinen einschalten, wie lange der Sonntagsbraten im Elektrobackherd gart oder wann die Menschen abends heimkommen, das Handy anstecken, den Fernseher, Computer oder die Stereoanlage einschalten. Dass zu bestimmten Tageszeiten doppelt so viel Strom verbraucht wird wie zu anderen, ist nichts Ungewöhnliches. Immer mehr erneuerbare Energie im Stromnetz dient dem Klimaschutz, erhöht aber auch das Risiko, dass Wind und Sonne ausgerechnet zu Spitzenlastzeiten ihren Dienst verweigern. So kann es an manchen Tagen eng in den Netzen werden, vor allem, wenn es sehr kalt oder sehr heiß ist.
Bitte abschalten. „Lastspitzen kommen den Netzbetreibern – und damit letztlich den StromkundInnen – teuer. Denn der Kraftwerkspark und die Stromnetze müssen sich am maximal zu erwartenden Stromverbrauch ausrichten oder es muss teurer Spitzenstrom zugekauft werden“, erklärt Lastbörse-Gründer Wolfgang Kurzböck. „Wir wollen daher private, aber auch gewerbliche StromkundInnen animieren, an wenigen Tagen im Jahr – wenn die höchsten Lastspitzen in den Stromnetzen erwartet werden – Stromverbraucher, die gerade nicht benötigt werden, eine Stunde lang vom Netz zu nehmen.“
Günstiger Stromtarif. Schon seit langem können Industriebetriebe Strom günstiger beziehen, wenn sie energieintensive Prozesse in Schwachlastzeiten verlagern. Diesen Deal zwischen Stromversorger und VerbraucherInnen möchte Kurzböck gemeinsam mit der Kommunikations- und Marketingexpertin Sandra Persson nun auch für private Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in Deutschland und Österreich zugänglich machen. Und das soll so funktionieren:
• Interessierte VerbraucherInnen melden sich bei der Lastbörse an.
• Finden sich in einem bestimmten Versorgungsgebiet (Stromnetz) ausreichend viele InteressentInnen, erstellt Lastbörse in Abstimmung mit dem jeweiligen Netzbetreiber eine regionale Stromnetzlastprognose.
• Basierend auf der Stromnetzlastprognose bietet Lastbörse Lösungen für Stromanbieter, mit welchen diese teilnehmenden VerbraucherInnen einen günstigeren Stromtarif anbieten können.
• Die KundInnen erhalten eine Prognose für das ganze Jahr und wenige Male im Jahr per SMS eine Aufforderung, ihren Verbrauch in Spitzenlastzeiten eine Stunde lang zu reduzieren. Ist ein Gebäudeautomationssystem vorhanden – Stichwort: Smart Home –, können Abschaltungen auch automatisch vorgenommen werden.
• Um dieses positive Verhalten noch besser wertschätzen zu können, setzt sich Lastbörse für eine Reduktion der Netzentgelte für diese Verbrauchergruppe ein.
Grundvoraussetzung für das Funktionieren der Lastbörse sind intelligente Stromzähler, die sogenannten Smart Meter, bei den VerbraucherInnen. Denn nur so kann überprüft werden, ob der Verbrauch tatsächlich gering gehalten wurde. „Die Smart-Meter bieten neue Möglichkeiten, Menschen zur Energiewende beitragen zu lassen und Geld zu sparen. Lastbörse formt diese Möglichkeiten zu einem Vorteil für Endverbraucher, Umwelt, Stromnetz und Stromhandel“, so Kurzböck.
Kein Komfortverlust. Aber welche Verbraucher können abgeschaltet werden, wenn eine besonders hohe Stromspitze im Netz droht? „Keine Angst, niemand muss im Dunkeln sitzen“, schmunzelt Kurzböck. „Aber man kann daheim zum Beispiel den Geschirrspüler, die Waschmaschine oder den Staubsauger erst ein, zwei Stunden später einschalten. In Büros lässt sich die Klimaanlage ohne Komfortbeeinträchtigung für 15 Minuten ausschalten und in der Gastronomie bleiben die Getränke auch dann erfrischend, wenn die Kühlvitrine 15 Minuten Pause macht.“ Auch der Elektromobilität kommt beim Lastmanagement künftig eine wichtige Rolle zu. Denn wenn die Batterie in der Früh voll sein soll, muss sie nicht während der abendlichen Lastspitze mit voller Leistung geladen werden, sondern könnte kurzfristig sogar Strom ins Netz liefern.
Die Lastbörse befindet sich derzeit in der Gründungsphase. „Ich habe meinen Job in Schweden gekündigt und werde mich nun voll und ganz auf die Lastbörse konzentrieren“, erklärt Kurzböck. greenstart, die Start-up-Initiative des Klima- und Energiefonds, erlebt der Jungunternehmer als hilfreich beim Netzwerken sowie durch die mediale Unterstützung. Und Unterstützung können Kurzböck und Persson nun dringend brauchen, denn jetzt geht es darum, einerseits möglichst viele Haushalte und Firmen, andererseits die Netzbetreiber und Stromanbieter von ihrer Idee zu überzeugen. Und vielleicht kann die menschliche Lösung für ein technisches Problem erstmals in einer Klima- und Energie-Modellregion realisiert werden.