Interview. Welchen Stellenwert könnte aus Biogas erzeugtes Methan im österreichischen Energiesystem einnehmen? Das wollte der KEM-Newsletter von Norbert Hummel, Obmann des Kompost & Biogas Verbands, wissen. Einen sehr großen, meint er und erklärt, welche Rahmenbedingungen dafür nötig wären.
KEM-Newsletter: Herr Hummel, aus der Biogas-Branche hörte man in den vergangenen Jahren viel von einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Hat sich das angesichts der enorm gestiegenen Erdgaspreise nun geändert?
Norbert Hummel: Die meisten österreichischen Biogasanlagen, 280 an der Zahl, erzeugen derzeit Strom und Wärme. Nur 15 Anlagen produzieren Biomethan und speisen dieses in die Erdgasnetze ein. Das bedeutet, dass nur diese 15 Anlagen unmittelbar von den hohen Erdgaspreisen profitieren.
Welchen Marktanteil nehmen diese Biomethan-Anlagen damit aktuell am Erdgasmarkt ein?
Das sind rund 0,15 Prozent.
Welchen Beitrag könnte Biogas kurzfristig leisten, um die aktuelle Situation zu entschärfen?
Ein Teil der bestehenden Biogasanlagen könnten von Strom- auf Biomethanerzeugung umgerüstet werden. Damit könnten dann etwa 100 Millionen Kubikmeter Biomethan erzeugt und ein Marktanteil von eineinhalb Prozent erreicht werden. Bis zum Jahr 2030 wären zehn Prozent möglich. Für die Planung, den Bau und die Genehmigung neuer Biomethananlagen muss man allerdings ungefähr drei Jahre veranschlagen, bevor die Einspeisung beginnen kann.
Wie groß wäre das Marktpotenzial für Biogas bzw. Biomethan mittelfristig?
Bis 2040 könnte der Anteil von Biomethan in den österreichischen Gasnetzen 30 Prozent erreichen. Insgesamt wären erneuerbare Gase aus inländischer Herkunft in der Lage, den nationalen Gasbedarf bis 2040 oder 2050 zu einem Großteil zu decken: Biomethan aus Biogas, Klärgas und Holzgas sowie grüner Wasserstoff. Das wäre ein gewaltiger Beitrag zum Klimaschutz und für die heimische Wertschöpfung.
Welche Rahmenbedingungen bräuchte die Biogas-Branche, um einen möglichst schnellen Ausbau der Kapazitäten zu erreichen?
Wir benötigen dazu vor allem den politischen Willen und das Bekenntnis zu einer Kreislaufwirtschaft. Das gesamte Energiemanagement muss sich ändern, denn es bringt nichts, die Abhängigkeit von russischem Gas in eine Abhängigkeit von anderen, oft instabilen Staaten zu tauschen. Für LNG, also Flüssiggas, fehlt uns die Infrastruktur – Terminals zur Übernahme ebenso wie Frachtschiffe. Diese aufzubauen würde ebenfalls Jahre benötigen und den bisherigen falschen Weg einzementieren. Auch für die Träume von grünem Wasserstoff aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es keine Transportmittel – und dieses Land versorgt sich selbst zu 99,7 Prozent aus fossiler Energie.
Aber wir haben Gasleitungen, riesige Gasspeicher und Gaskraftwerke – und diese sollten wir für Biomethan und andere grüne Gase nützen. Hätte die OMV die 1,8 Milliarden Euro, die sie nun abschreiben muss, statt in North Stream 2 in Biomethan investiert, könnte sie heute jährlich sieben Terawattstunden Biomethan produzieren. Das wäre ein Marktanteil von acht bis neun Prozent.
Konkret brauchen wir analog zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) ein Erneuerbaren-Gasgesetz. Investor:innen und Betreiber:innen benötigen eine längerfristige Absicherung und wir brauchen eine verpflichtende Quote an grünem Gas für den Gashandel. Man muss bedenken, dass wir für die Einspeisung in die Gasnetze weitaus größere Anlagen als die heutigen benötigen – die derzeit größten wären dann die kleinsten Anlagen. Dabei geht es um den Faktor zehn. Der ideale Standort für die Biogas- und Biomethanisierungsanlagen wäre naturgemäß dort, wo die Rohstoffe anfallen und ein Gasnetz vorhanden ist.
Was sind die wichtigsten Roh- bzw. Reststoffe für die Produktion von Biogas und wie könnte man deren Nutzung steigern?
Voraussetzung wäre eine konsequente Mülltrennung. Noch immer landen 40 Prozent der organischen Abfälle im Restmüll. Sehr wichtig sind auch die Reststoffe aus der Landwirtschaft wie beispielsweise der Wirtschaftsdünger, also Gülle, Jauche und Mist aus der Tierhaltung. Auch Mais- und Rapsstroh sowie Früchte, die sich nicht zum Verkauf eignen, ließen sich in großem Stil zu Biomethan und Dünger verarbeiten. Dabei würde genug Dünger für alle österreichischen Weizenfelder anfallen.
Es ist absurd, dass wir heute Phosphor importieren und Stickstoff aus Erdgas erzeugen, obwohl beide der begehrten Stoffe in organischen Abfällen stecken, die in Österreich jährlich anfallen.
Wie würde sich der Umstieg von Erdgas auf Biomethan und andere grüne Gase auf die Preise auswirken?
In den vergangenen Jahren lagen die Preise pro Megawattstunde Erdgas bei 25 bis 30 Euro. Nun kletterten sie kurzfristig auf bis zu 220 Euro. Das ginge mit Biomethan deutlich günstiger. Aber es muss uns klar sein, dass die Energiepreise künftig nicht mehr so günstig werden, wie sie einmal waren. Ich rechne damit, dass dadurch auch die Energieeffizienz steigen wird und wir nicht mehr so viel Gas benötigen werden wie heute.
Sie haben vorhin auch Holzgas erwähnt. Wäre das eventuell eine Lösung für die vom Borkenkäfer vernichteten Wälder oder ist Holz als Gasrohstoff viel zu wertvoll und teuer?
Ich komme selbst aus dem Waldviertel und kenne die dramatische Situation rund um den Borkenkäfer. Aber österreichweit wächst trotzdem immer noch mehr Wald zu als genutzt wird. Die Preise für Bauholz sind zwar stark gestiegen, nicht jedoch jene für Schadholz – die sind noch immer sehr niedrig. Also ja, auch Holzgas könnte eine wichtige Rolle im künftigen Energiemix einnehmen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.