Seit 1. Jänner leitet Bernd Vogl den Klima- und Energiefonds. Er bringt reichhaltige Erfahrungen aus seinem bisherigen Berufsleben im Umweltministerium und der Abteilung für Energieplanung der Stadt Wien mit. Im Interview nimmt er ausführlich zu aktuellen Fragen rund um den Klimaschutz Stellung.
Seit 1. Jänner sind Sie Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. Was waren Ihre Motive, sich für diese Position zu bewerben?
Bernd Vogl: Ich denke, dass wir in einer entscheidenden Phase sind, was die Erreichung der Klimaschutzziele betrifft. Der Klimafonds ist ein wichtiges Instrument, das bei der Erreichung der Klimaschutzziele eine entscheidende Rolle spielen kann. Mit meiner langen Erfahrung auf Bundes- und Landesebene im Bereich einer sauberen, sicheren und leistbaren Energieversorgung habe ich den Eindruck, mit dem Klimafonds viel bewegen zu können. Mit innovativen Projekten, wie sie der Klimafonds unterstützt, kann schnell Klimawirkung erzielt werden. Jetzt sollten wir mit vielen Innovationen rasch in die breite Umsetzung kommen. Der Klimafonds wird hier weitere Impulse setzen.
Welche Schwerpunkte möchten Sie in den nächsten Jahren im Klima- und Energiefonds setzen?
Österreich soll bis 2040 klimaneutral werden und bereits 2030 seinen Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien gewinnen – das sind die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung. Wir unterstützen das mit unseren Initiativen und Förderungen. Der Ausbau erneuerbarer Energien und Projekte zur Mobilitätswende steht da genauso im Mittelpunkt wie Projekte, die die Innovationskraft heimischer Betriebe stärken. Ganz klar geht es bei all dem auch immer darum, das Bewusstsein zu schärfen und die richtigen Informationen über den Weg in die Klimaneutralität zu kommunizieren. Was wir definitiv erreichen wollen, ist, dass durch die richtigen Ideen und Konzepte möglichst viele Investitionen in den Klimaschutz bei den unterschiedlichen Akteur:innen ausgelöst werden.
Sie waren von 1993 bis 2010 als Energieexperte im Umweltministerium tätig. Ab 2011 leiteten Sie die Abteilung für Energieplanung der Stadt Wien. Unter anderem starteten Sie innovative Pilotprojekte zum Ausstieg aus fossilen Heizanlagen. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis die Öl- und Gasheizungen in Österreich ersetzt werden können?
In Österreich sind immer noch rund 840.000 Gasheizungen, 500.000 Ölheizungen und 80.000 Heizungen mit Koks beziehungsweise Kohle in Betrieb. Heizungssysteme mit fossilen Energieträgern sind veraltet, teuer und schlecht fürs Klima. Das Ziel ist hier klar formuliert – bis 2050 sieht die Regierung vor, einen möglichst klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Die ersten Maßnahmen: Seit 2020 dürfen gesetzlich keine Ölheizungen mehr in Neubauten in Betrieb genommen werden, seit 2021 sind Ölheizungen beim Heizungstausch verboten. In Wien war das letzte Projekt, das ich als Abteilungsleiter verantworten durfte, die Strategie „Wiener Wärme und Kälte 2040“, in dem wir für die Stadt Wien diesen Weg formuliert haben. Allen, die sich für dieses Thema interessieren, lege ich diese Strategie ans Herz. Da steckt alles an Ideen und Maßnahmen drinnen, die wir brauchen werden.
Sie waren viele Jahre für den „Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit“ verantwortlich. Wie nachhaltig würden Sie die österreichische Hochbaubranche von heute einschätzen? In welchen Bereichen gibt es noch Luft nach oben?
Hier ist es wichtig, die internationalen Entwicklungen im Blick zu behalten, und da spielt Österreich schon seit langer Zeit in der Champions League, wenn es um Fragen des Klimaschutzes und der Ökologie geht. Zusätzlich können wir auf eine lange Tradition im geförderten sozialen Wohnbau zurückblicken, was die Schwierigkeiten von zu teurem Wohnraum deutlich abmildert. Österreich gehört zu den Innovatoren bei der Nutzung erneuerbarer Energien für die Wärmeversorgung, bei energieeffizienten Gebäudehüllen und in letzter Zeit bei Gebäuden, die über die Betondecke oder eine Flächenheizung temperiert werden. Dabei können mit Wärmepumpe und PV-Anlage um die 90 Prozent erneuerbare Energie vor Ort genutzt werden. Das ist kosteneffizient und klimaschonend. In Wien setzen sich solche Lösungen im Neubau gerade als Standard durch. Da stecken elf Jahre intensive Entwicklungsarbeit der Energieplanungsabteilung drinnen, und ein wirklich großer Erfolg war, dass wir damit auch in die öffentlichen Schulbauten gegangen sind. Heute steht in Aspern ein Schulcampus, der in der Lage ist, 95 Prozent der benötigten Energie auf dem eigenen Grundstück zu generieren – in Form von Photovoltaik und Geothermie. Nur fünf Prozent der Energie müssen extern zugeliefert werden. Das ist genial. Trotzdem gibt es immer noch Neubauten mit Erdgasheizungen. Das tut mir ehrlich gesagt weh, vor allem wenn wir die tolle Entwicklung der Wärmepumpen in den vergangenen 15 Jahren betrachten. Besonders wichtig sind jetzt Maßnahmen im Bestand zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Umstieg auf erneuerbare Energien. Da gibt es viel zu tun, und da ist noch Luft nach oben. Im Klimafonds haben wir vor allem im Sanierungsbereich mit den „Mustersanierungen“ hohe Standards gesetzt. Die klimaaktiv-Standards für Bauen und Sanieren kommen österreichweit zur Anwendung und bringen großartige Projekte hervor.
In Wien werden große Hoffnungen in die Geothermie gesetzt. Wie rasch und in welchem Umfang kann diese zur Beheizung der Gebäude genutzt werden?
Da reden wir jetzt von der tiefen Geothermie, bei der mehrere tausend Meter unter der Erdoberfläche nach heißen Quellen gesucht wird, die dann für die Fernwärme genutzt werden können. Die Entwicklung dieses Projekts durch die Wien Energie läuft sehr gut, und es ist davon auszugehen, dass 2040 ein beachtlicher Anteil von zirka 30 Prozent der Fernwärme in Wien aus Geothermie bereitgestellt werden kann. Hier hat Wien Energie eine durchaus sehenswerte Strategie zum Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Ausstieg aus fossilen Energien, was mich als Noch-Aufsichtsrat besonders freut. In Verbindung mit dieser Ausbaustrategie entsteht die Notwendigkeit, in Energieraumplänen festzulegen, in welchen Teilen der Stadt in Zukunft der Umstieg auf Fernwärme möglich ist und wo andere Erneuerbare zum Einsatz kommen sollen.
Stichwort Mobilitätswende: Die größten CO2-Einsparungspotenziale liegen wohl in denBereichen aktive Mobilität und öffentlicher Verkehr. Was kann der Klima- und Energiefonds dazu beitragen, dass die Österreicher:innen wieder mehr gehen, mit dem Rad und den Öffis fahren?
Gerade in der Mobilität ist es wichtig, dass Nachhaltigkeit und – zum Teil lieb gewonnener – Komfort nicht gegen einander ausgespielt werden. Die Mobilitätswende gelingt nur, wenn die Menschen mitmachen und spüren, dass aktive Mobilität ein Gewinn ist – dass Radfahren in der Früh zur Arbeit gut tut, dass Alltagswege zu Fuß dazu beitragen, Stress abzubauen. Attraktive Förderungen, wie wir sie in unseren Programmen „klimaaktiv mobil“ oder auch „Nachhaltige Mobilität in der Praxis“ anbieten, sind ebenso ein wichtiger Baustein. Und wie das Klimaticket viele Menschen wieder zum Bahnfahren gebracht hat, zeigt, dass die richtigen Angebote auch ihre Abnehmer:innen finden. Ich persönlich bin seit mehr als 25 Jahren mit Faltrad und Bahn in die Arbeit unterwegs. Das macht Spaß und hält fit.
Ob E-Mobilität, Wärmepumpen oder auch die Dekarbonisierung der Wirtschaft – in fast allen Lebensbereichen werden wir künftig viel mehr erneuerbaren Strom benötigen. Woher soll dieser kommen?
Die großen Mengen erneuerbarer Energie kommen in Zukunft aus Sonne und Wind. Hier liegen die bei Weitem größten Potenziale. Das bedeutet, dass im Energiesystem der Zukunft Strom der wichtigste Energieträger sein wird. Damit unterstützen alle Technologieentwicklungen in Richtung Strom diese Energiewende – in erster Linie Elektromobilität und Wärmepumpen. Wie uns die Energiekrise seit dem Vorjahr zeigt, sind wir gut beraten, möglichst viel erneuerbare Energie im eigenen Land zu produzieren, da uns diese unbegrenzt und zu günstigen Konditionen zur Verfügung steht und uns krisensicher macht. Ich denke, wir sollten daher unseren Umgang mit PV und Windkraftanlagen überdenken, diese positiv sehen und uns am besten selbst daran beteiligen. Diese Kraftwerke schaffen Wohlstand für die nächsten Generationen.
Dem Klima- und Energiefonds steht heuer ein Rekordbudget von 581 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist sehr viel Geld, aber wird es genügen, um die Klimaziele der Regierung zu erreichen?
Die öffentliche Hand und Förderungen sind sicher gefragt, wenn es darum geht, rasch erneuerbare Energien auszubauen, Innovationen voranzutreiben und Gemeinden auf ihrem Weg in die Klimaneutralität zu unterstützen. Aber Geld allein wird diese Herkulesaufgabe – Klimaneutralität bis 2040 – nicht lösen. Die Menschen, die Gebietskörperschaften und die Wirtschaftsbetriebe müssen auch verstehen, warum es wichtig ist, jetzt umzusteigen, jetzt zu investieren, jetzt Innovationen voranzutreiben. Deshalb sehen wir es auch als zentrale Aufgabe, hier mit Fakten aufzuklären, wissenschaftliche Expertise als Grundlage für Entscheidungen zu liefern und als Partner für diesen Zukunftsweg zur Verfügung zu stehen.
Aktuell unterstützt der Klima- und Energiefonds 121 Klima- und Energie-Modellregionen (KEMs). Wie schätzen Sie deren Leistungen ein, und was möchten Sie den KEM-Manager:innen mitgeben?
Klima- und Energiewissen in die Regionen zu bringen, war und ist ein wichtiges Anliegen des Klimafonds. Die Modellregions-Manager:innen sind für uns dieses personifizierte Wissen. Sie sind in den Regionen Vertreter:innen der Klimaschutz-Interessen. Es gibt Wissensaufbau, Vernetzung und Innovationen, das ist sehr erfreulich. Wir kommen aus meiner Sicht nun in eine neue Phase der Klima- und Energiemodellregionen, die lange aufgebaut wurden. Es geht in Zukunft sicher viel stärker darum, konkrete Projekte zu initiieren und zu begleiten, und zwar so, dass es zu entsprechenden Investitionen kommt.
Verraten Sie uns auch etwas zur Ihrer persönlichen Energie- und Mobilitätswende? Wie versuchen Sie als Privatperson, Treibhausgasemissionen einzusparen?
Ich persönlich nehme am liebsten das Fahrrad, aber ich fahre auch öffentlich und gehe viel zu Fuß auf den Arbeitswegen. Privat fahre ich auch oft mit dem Elektroauto, das mit PV und Ökostrom geladen wird.
Vielen Dank für das Interview.