Bürger:innen am Wort

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Viele Politiker:innen scheuen sich, unpopuläre Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes zu setzen. Doch wenn man der Bevölkerung die Möglichkeit gibt, sich zu informieren und einzubringen, fordert diese oft mehr Mut von den politisch Verantwortlichen. Das zeigen auch drei Bürgerbeteiligungs-Projekte aus den Klima- und Energie-Modellregionen Baden, Naturpark Pöllauer Tal und Althofen Umgebung.

18 Bürger:innen folgten dem Ruf der Stadt und bildeten vergangenen Oktober einen Klimarat mit dem Titel „Baden FIT für die Klimaziele“. „Die Teilnehmer:innen konnten völlig frei diskutieren. Einen halben Tag lang standen ihnen sechs hochkarätige Experten für Fragen zur Verfügung, und am letzten der vier Tage fungierten neun Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft als Herausforderer:innen, um die Vorschläge des Klimarats punktuell auf Realisierbarkeit zu prüfen“, erklärt KEM-Manager und Energiereferatsleiter Gerfried Koch das Konzept. Begleitet wurde der Klimarat von dem Experten für innovative Kommunikationsprozesse, Klaus Weissmann, KEM-Manager Alexander Simader und dem Energiereferat.

Vorreiter werden. Der Ergebnisbericht umfasst 47 Seiten und kann als Handlungsauftrag für die Stadtgemeinde betrachtet werden. Allgemein wünschten sich die Bürger:innen, dass Baden eine Vorreiterrolle einnimmt, ein positives Narrativ für die anstehende Transformation findet, Kommunikations- und Experimentierräume schafft und die Bevölkerung „mitnimmt“. Und es braucht „Mut und Konsequenz gegenüber Dritten“. In vier Arbeitsgruppen – Wirtschaft, Lebensstil, Mobilität und Gebäude – arbeiteten die Bürger:innen detaillierte Empfehlungen aus. Hier nur einige davon:

  • In der Stadtgemeinde müssen in allen Abteilungen Kompetenzen zur Klimaneutralität entwickelt werden.
  • Die Unternehmen müssen auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2040 begleitet werden und jährlich eine Klimabilanz vorlegen. Pilotprojekte sollen gestartet und Vorreiterbetriebe präsentiert werden.
  • Für die Bevölkerung sollen „erlebnisorientierte Wissensvermittlung“ betrieben sowie Vereine und Aktionsgruppen stärker eingebunden werden. Monatliche Schwerpunkte wie Ernährung in Schulen, autofreies Wochenende oder „Aus Alt mach Neu“ werden angeregt.
  • Die Mobilitätsbedürfnisse der Bewohner:innen und Unternehmen sollen erhoben und die Mobilitätsberatung ausgebaut werden. Der öffentliche Verkehr muss attraktiver werden, speziell auf der ersten und letzten Meile. Mittelfristig schwebt dem Klimarat vor, Baden in eine große Begegnungszone zu verwandeln – mit dem Bahnhof als Mobilitäts-Hub. Radstraßen sollen errichtet, Photovoltaik und Ladestellen massiv ausgebaut werden.
  • Im Zentrum der Empfehlungen für den Gebäudebereich stehen der Ausstieg aus dem Heizen mit Erdgas bis zum Jahr 2035 und die Forcierung aller zur Verfügung stehenden Alternativen.

„Die Arbeit des Klimarats wurde bei der Präsentation sowohl von Bürgermeister Stefan Szirucsek als auch von Vizebürgermeisterin Helga Krismer hoch gelobt“, zieht Koch Bilanz. „Ich hoffe, dass wir im Gemeinderat bald einen Klimafahrplan bis 2040 beschließen können, der dann als Richtschnur für alle Handlungen der Stadt dient.“

115 Klimaideen. Die KEM Naturpark Pöllauer Tal lud vergangenen Herbst die Bevölkerung online, über die Pöllauer Tal App sowie über Gemeindezeitungen und das Nachrichtenblatt „Blick ins Pöllauer Tal“ dazu ein, ihre „Klimaideen“ bekannt zu geben. „Wir haben mit einer Beteiligung von rund 50 Personen gerechnet und waren beeindruckt, dass sich mehr als doppelt so viele beteiligt haben“, freut sich KEM-Managerin Victoria Schlagbauer. Die meisten der insgesamt 115 Ideen langten digital ein.

Der Großteil der Ideen betraf die Mobilität, das Thema Wärme, regionales Einkaufen und Aktionstage für Kinder. Einen besonderen Schwerpunkt bildete auch das eigens abgefragte E-Carsharing. Dabei zeigte sich, dass viele das im September 2020 geschaffene Angebot noch gar nicht kannten oder nicht wussten, wie es funktioniert. Ein Erklärvideo schafft nun Abhilfe und informiert auch über ein spezielles Zuckerl für die Nutzer:innen: Die beiden E-Carsharing-Autos in Pöllau können nicht nur abgeholt, sondern auch bis vor die Tür gebracht werden.

Auch auf andere Ideen reagierte Schlagbauer prompt: Am 8. April wird es auf dem Hauptplatz von Pöllau einen Aktionstag zum Thema Heizen geben. Dabei werden das richtige Einheizen von Holzöfen (nämlich von oben) anschaulich demonstriert, Informationen zu den aktuellen Förderungen unters Volk gebracht und detailliertere Beratungen im KEM-Büro angeboten. Die Haushalte werden über Photovoltaik informiert, eine Ferienaktion für Kinder zu Naturpark- und Klimathemen wird gestartet und eine regionale Rezeptsammlung mit heimischen Zutaten initiiert.

Beinarbeit. Unter dem Titel „Althofen gut zu Fuß“ hat KEM-Manager* Reinhard Primavesi die Bevölkerung vergangenen Herbst dazu eingeladen, Anregungen, Wünsche und Problemstellen mitzuteilen. 38 Bürger:innen reichten meist sehr detaillierte Beiträge ein. Zusätzlich wurden auch die Volksschule, lokale Vereine wie Seniorenverbände und die drei größten Betriebe der Stadt einbezogen.

„Das Interesse der Schule, der Vereine und Unternehmen war groß. Es wurden zahlreiche Hürden und Verbesserungsvorschläge identifiziert“, erklärt Primavesi. „Natürlich haben wir auch die zwei zuständigen Ausschüsse der Stadtgemeinde – Umwelt sowie ‚Innovation und nachhaltige Infrastruktur‘ – eingebunden. So manchen Politiker:innen ist erst beim Lokalaugenschein klar geworden, welche Hürden es aktuell für die aktive Mobilität gibt.“

Die meisten Anregungen betrafen Barrierefreiheit, breitere Gehsteige und Sanierung der Beläge sowie die Beleuchtung der Fußwege. Auch der Wunsch nach öffentlichen Trinkwasserbrunnen wurde laut. Vor allem ältere Menschen hätten gerne mehr Sitzbänke und Rastplätze sowie Toiletten entlang der wichtigsten Gehstrecken. Gemeinsam mit dem Verein Walk-Space.at und con.sens mobilitätsdesign wurde ein umfassendes Konzept erstellt, das im Stadt- und Gemeinderat auf Zustimmung stieß.

„Ich bin mir sicher, dass das neu gewonnene Bewusstsein für die Bedürfnisse der Fußgänger:innen Auswirkungen auf anstehende Projekte haben wird – zum Beispiel die Neugestaltung des Hauptplatzes und eine gute fußläufige Anbindung des Neubaugebiets im Nordwesten der Stadt samt einer Bahnquerung“ ist Primavesi überzeugt. „Ziel ist eine Stadt der kurzen Wege.“

* Die KEM Althofen Umgebung ist derzeit inaktiv, wird aber erneut um Verlängerung einreichen.

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