KEM-Manager im Porträt. Er setzt nicht eine Bürgerbeteiligungs-Photovoltaikanlage um, sondern gleich 300. Er schafft nicht ein E-Carsharing-Fahrzeug an, sondern gleich eine ganze Flotte. Wenn Norbert Miesenberger in seiner Klima- und Energie-Modellregion (KEM) Freistadt ein Projekt angeht, macht er keine halben Sachen.
Norbert Miesenberger hat den großen Stromkonzernen des Landes vorgehüpft, wie sich der Ausbau der Photovoltaik mit dem Geld von BürgerInnen zügig vorantreiben lässt – und immer mehr Stromversorger hüpfen nach. Sechs Megawatt Spitzenleistung (MWp) hat das von ihm mitgegründete Unternehmen Helios inzwischen installiert, heuer sollen es sieben werden.
Der Sonnenkönig. Zum Vergleich: Auch die BürgerInnenbeteiligungskraftwerke der Wien Energie weisen heute eine installierte Leistung von 6,8 MWp auf. Allerdings spricht das kleine Unternehmen aus dem Norden Oberösterreichs vor allem die 65.000 BürgerInnen im Bezirk Freistadt und in den Nachbarregionen an, während im Großraum Wien gut 30-mal mehr Menschen als InvestorInnen in Frage kämen.
Neben „Sonnenbausteinen“ für private AnlegerInnen bietet Miesenberger UnternehmerInnen auch eine Beratung für Photovoltaikanlagen zum Eigenverbrauch an. Diese sind seinem Rat inzwischen im Umfang von rund 1 MWp installierter Spitzenleistung gefolgt. Doch der KEM-Manager kurbelt nicht nur die Produktion von Sonnenstrom an, sondern auch dessen Verbrauch – vor allem in Form der Elektromobilität. „Die Elektroauto-Testwochen 2016, die wir gemeinsam mit lokalen Autohändlern durchgeführt haben, waren ein voller Erfolg“, sagt Miesenberger. „Deshalb wiederholen wir sie heuer.“
Der Herr Ferdinand. Das E-Car-Sharing hat Norbert Miesenberger nicht erfunden, aber er hat ihm einen Namen gegeben, einen eingängigen und gut auf die Region abgestimmten Namen. Der MühlFerdl klingt ein wenig nach „Mühlvierdl“ und vereint somit Heimatgefühl und Sprachwitz mit sanfter Mobilität. Im vergangenen November startete das gemeinsam mit den KEM-Managern Markus Altenhofer (KEM Donau Böhmerwald) und Herwig Kolar (KEM uwe – Urfahr West) auf die Straße gebrachte Projekt. In der KEM Freistadt nutzen derzeit 100 Personen zehn Carsharing-Autos. Insgesamt sind derzeit 16 Ferdln im Mühlviertel unterwegs. „Wir sind sehr zufrieden“, zieht Miesenberger Zwischenbilanz. „60 Prozent der Standorte funktionieren auf Anhieb sehr gut, 20 Prozent recht gut, bei einigen Standorten müssen wir aber wohl nochmals die Werbetrommel rühren.“
Der Aufklärer. Bei der Öffentlichkeitsarbeit setzen Miesenberger und sein Team nicht nur auf viel persönliche Kommunikation, Homepage, Newsletter und die Betreuung der Regionalmedien. Sie haben auch beim Freien Radio Freistadt (FRF) einen monatlichen Sendeplatz erhalten. Mühlviertel-TV hat ebenfalls schon berichtet.
Zwei Klimaschulenprojekte setzte die KEM Freistadt bereits um, ein drittes wird gerade vorbereitet. Diesmal lautet das Motto „Klimaschutz, der Freude macht“. „Wir möchten den Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass man für den Klimaschutz nicht in den sauren Apfel beißen muss, sondern auch sehr viel Spaß damit haben kann“, erklärt Miesenberger. Und diese Begeisterung sollen sie mit Freundeskreis und Eltern teilen.
Spaß an der Bewegung ist auch eines von vielen Argumenten, auf das im Projekt „Umsatteln“ verwiesen wird. Die Anfang März gestartete Kampagne möchte das Bewusstsein zum Thema Radfahren schärfen, bei der Bevölkerung, aber auch bei den für die Verkehrsflächen zuständigen Behörden. Auf dem Wunschzettel stehen unter anderem gute und sichere Fahrradverbindungen, mehr überdachte Fahrradabstellplätze und Verkehrsberuhigung in den Ortsgebieten. Die Initiative zum „Umsatteln“ kam von einer Gruppe RadlerInnen aus Hagenberg, Pregarten und Wartberg. Nun wird – im Rahmen einer breiten Kooperation mit dem EBF, der LEADER-Region Mühlviertler Kernland, dem Klimabündnis und anderen – im ganzen Bezirk für das Radfahren geworben. Norbert Miesenberger muss nicht mehr überzeugt werden. Er legt schon jetzt die 10 Kilometer von seinem Wohnort Neumarkt im Mühlkreis nach Freistadt am liebsten mit dem Fahrrad zurück.
Der Umsattler. Seine berufliche Laufbahn startete Miesenberger bei der Agrolinz, wo er die Wirkung verschiedener Düngerarten verglich. Seine damalige Erkenntnis „es gibt nichts besseres als Biodünger“ führte ihn 1991 in die Abfallwirtschaft, vor allem in die Kompostberatung. Im Jahr 2005 versammelte Miesenberger gemeinsam mit Alfred Klepatsch die Gemeinden seines Bezirks im Verein Energiebezirk Freistadt (EBF), dessen Geschäftsführer er bis heute ist.
Der EBF dient als Drehscheibe für Gemeinden, Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen, um gemeinsam an einer zukunftsfähigen Energieversorgung zu arbeiten und war somit prädestiniert, ab 2010 auch als Träger der Klima- und Energie-Modellregion Freistadt zu fungieren. Im Rahmen des EBF wurden Energiegruppen in den einzelnen Gemeinden gebildet. „Derzeit sind etwa 80 bis 100 Personen in den Energiegruppen aktiv und treiben die Energiewende in ihren Orten voran“, freut sich Miesenberger über das große Engagement in den meisten der 24 Modellregions-Gemeinden.
Das Team. Auch im Büro erhält er tatkräftige Unterstützung durch drei und ab Sommer sieben engagierte MitarbeiterInnen, die für den EBF, die KEM, die Helios Sonnenstrom GmbH, den MühlFerdl – und bald vielleicht auch für eine neue Klimawandelanpassungsregion (KLAR) – arbeiten werden. So bleibt Miesenberger hin und wieder Zeit für ein Tennismatch. Gewissermaßen als Ausgleichssport packt er gerne auch am Bauernhof seines Bruders mit an.