2019 hat der Klima- und Energiefonds eine „Klima- und Energie-Modellregion Tourismus“ ausgeschrieben. Nun wurden gleich zwei Regionen auserkoren: Nassfeld-Pressegger See/Lesachtal/Weissensee und Zell am See-Kaprun. Beide werden mit rund einer Million Euro unterstützt.
Neun Regionen haben sich als KEM Tourismus beworben, drei von ihnen wurden in die engere Wahl gezogen. Sie erstellten im Vorjahr ein Detailkonzept für die modellhafte Umsetzung von Klimaschutzprojekten im Tourismus. „Im Sport würde man sagen, es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nassfeld-Pressegger See/Lesachtal/Weissensee und Zell am See-Kaprun“, erklärt Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. „So hat sich die Jury entschlossen, beide als Schwerpunktregion zu unterstützen. Ich gratuliere zu den tollen Einreichungen.“
Slow Food Travel. „Schon bisher gab es in den drei Lebensräumen zahlreiche Aktivitäten im Zusammenhang mit nachhaltigem Tourismus“, erklärt Daniela Schelch. Sie ist KEM-Managerin der Karnischen Region und wird nun auch die KEM-Tourismus koordinieren. „Schon die Einreichung war ein wichtiger Prozess für uns, in dem sich die Gemeinden sowie 29 Firmen und Vereine intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben.“
Schon seit langem gilt das Lesachtal als ein naturnaher Kulturraum, in dem man Entschleunigung und Entspannung findet. Hier kann man den Einheimischen über die Schulter schauen, wie sie das Lesachtaler Brot backen, Käse, Holzschnitzereien oder Korb- und Flechtwaren herstellen. Der Weißensee bietet erfrischende Abkühlung im Sommer und Europas größte Natureisfläche im Winter. Hier baute man lieber einen Ringkanal statt einer Straße um den See. Seit einiger Zeit bietet ein umfassendes Bus-Shuttleangebot Anreize zur autofreien Anreise. Das Nassfeld ist bekannt für den Skitourismus, doch nur rund drei Prozent der Alpinregion wurde technisch erschlossen. Im 830 km2 großen Geopark Karnische Alpen kann man nicht nur die Natur genießen, sondern auch Fossilien finden.
Maßnahmenpakete. Die Hebel, an denen Schelch und ihr Projektteam nun ansetzen möchten, sind zahlreich. Mit einer umfassenden Beratungsoffensive sollen die Energieeffizienz gesteigert und mehr nachhaltige Betriebe geschaffen werden. Im Bereich Nassfeld ist eine erneuerbare Energiegemeinschaft geplant. An einer regionalen Ernährungssouveränität wird ebenso gearbeitet wie an einem Ausbau sanfter Tourismusangebote, Stichwort Genusstouren und Slow Food Travel.
„Natürlich wollen wir die Anreise ohne Auto forcieren. Dazu wird es eine Mobilitätsgarantie geben“, so Schelch. „Die Gäste sollen nicht nur vom Bahnhof abgeholt werden, sondern auch alle touristischen Ziele bequem – und möglichst mit klimafreundlichen Verkehrsmitteln – erreichen können.“ Sicherstellen möchte man dies mit einem weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Digitalisierung der Fahrpläne und Verbesserung des bestehenden Mobilitätsangebotes, wie der Alm- und Radbusse, der Shuttledienste, aber auch durch E-Carsharing-Angebote und E-Bike-Verleih.
All in one. Ein sehr ähnliches Mobilitätskonzept möchte auch Sebastian Vitzthum in Zell am See-Kaprun auf die Beine stellen. „Wir haben seit einigen Jahren bereits eine Mobilitätskarte, mit der Gäste den öffentlichen Verkehr in der Region kostenlos nutzen können“, erläutert er ehemalige Profi-Skirennläufer und nunmehrige Unternehmer. „Wir möchten noch einige Schritte weiter gehen, die Mobilitätskarte auch Einheimischen gratis zur Verfügung stellen und den Gästen in Kooperation mit der Bahn Packages anbieten, damit sie ohne Auto anreisen. Es gibt bereits erfolgreiche Kooperationen mit den ÖBB und DB, diese wollen wir ausbauen und intensivieren“ Schließlich fahren die ÖBB-Züge bis ins Zentrum von Zell am See – und die Pinzgauer Lokalbahn führt von dort zu einer Vielzahl namhafter Ausflugsziele, sogar bis zum touristischen Highlight Krimmler Wasserfälle. Um die Gäste, die künftig mit der Bahn in Zell am See ankommen, zu ihren Unterkünften zu bringen, sollen die Takte der öffentlichen Verkehrsmittel deutlich erhöht werden, auch ein E-Bus-Testbetrieb zwischen Zell am See und Kaprun ist geplant. Teilweise sollen die Gäste künftig auch mit E-Fahrzeugen vom Bahnhof abgeholt werden, das Gepäck sogar von daheim.
E-Bikes und E-Cars zum Ausleihen runden das nachhaltige Mobilitätsangebot ab. „Wir haben bereits ein gutes Radwegenetz, das stellenweise jedoch zu schmal ist. Das möchten wir ändern, damit auch Lastenräder und Familien mit Kindern sicher unterwegs sein können“, so Vitzthum.
Beratungsschwerpunkt. In einem ersten Schritt möchte Vitzthum den rund 1.000 Unternehmen der Region eine umfassende Beratung zukommen lassen. Neben Informationen zu Photovoltaik, Wärmepumpen, „Raus aus dem Öl“ und thermische Sanierung soll es dabei beispielsweise auch um Mikronetze gehen, die eine Nutzung der Abwärme aus den Wellnessressorts ermöglichen.
„Unser langfristiges Ziel ist ein CO2-neutraler Urlaub“, blickt Vitzthum in die Zukunft. „Das werden nicht innerhalb der drei Jahre der KEM Tourismus schaffen. Aber ich bin überzeugt, dass es auch danach weitergehen wird. Denn auch die Tourismusverbände und Seilbahnunternehmen sind von unseren Vorhaben begeistert und stehen dahinter.“