Der Weltmeister

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KEM-Manager im Porträt. Nicht die Bühne, sondern seine Skier waren es, die ihm die Bretter der Welt bedeuteten. Heute bohrt Sebastian Vitzthum dicke Bretter, um den Tourismus in der Skiregion Zell am See-Kaprun auf nachhaltige Beine zu stellen.

„Früher war ich ganz anders“, bekennt Sebastian Vitzthum. Da konnte es ihm nicht schnell genug gehen, einerseits auf Skiern, anderseits auf dem Motorrad. Elf Jahre lang war er Profiskirennläufer bei der amerikanischen World Pro Ski Tour. 1994 gewann er die Gesamtwertung, 1995 wurde er Weltmeister im Parallel-Riesentorlauf. Drei Jahre lang genoss er auf einer 1000-ccm-Ducati die Schräglage im Motorrad Grand Prix, bis ein schwerer Unfall seine Sportkarriere beendete. Damals belächelte er E-Fahrzeuge, bis er einmal selbst ein E-Auto testete und begeistert war.

Elektrisiert. Vitzthum blieb dem Sport treu, bis 2004 als Marketingleiter beim ÖSV, heute in Form von Freizeitausflügen mit Skiern oder Mountainbike. Er studierte an der Universität Salzburg General Management und schloss als MAS (Master of Advanced Studies) und MIM (Master in Management) ab. Danach machte er sich selbstständig und beschäftigte sich ab 2010 intensiv mit dem Thema E-Mobilität.

2018 veranstaltete Vitzthum in Kooperation mit seinem Netzwerk erstmals die IONICA, einen jährlichen E-Mobilitätskongress. Pandemiebedingt musste die dritte Ausgabe 2020 als Online-Veranstaltung stattfinden, im Vorjahr fiel sie ganz aus. „Wir hoffen, das IONICA Mobility Forum heuer im Oktober wieder als Präsenzveranstaltung abhalten zu können“, so Vitzthum. Vor zwei Jahren nahm er an der Ausschreibung des Klima- und Energiefonds zur KEM Tourismus teil und überzeugte die Jury mit einem stimmigen Konzept.

Nachhaltige Anreise. Anfang 2021 startete die KEM Tourismus Zell am See-Kaprun mit dem Ziel, möglichst klimafreundliche Urlaubsangebote ins Leben zu rufen. Trotz Pandemie gelang es Vitzthum bereits im ersten Jahr der dreijährigen Umsetzungsphase, wichtige Weichen zu stellen. In Kooperation mit ÖBB und DB wurden neue Zugverbindungen nach Zell am See geschaffen. Sogar der schwedische Bahnanbieter Snälltåget bietet nun einmal pro Woche einen Nachtzug in das österreichische Skigebiet an.

„Natürlich bewerben wir diese klimafreundlichen Anreisemöglichkeiten intensiv über die Tourismusverbände und die Webseiten der Beherbergungsbetriebe. Die Bahngesellschaften tun dies ebenso, zum Beispiel über ÖBB 360°“, erklärt Vitzthum. Ab Herbst soll auch ein Abholservice vom Bahnhof in Zell in das Angebot integriert werden. Dass es dieses noch nicht gibt, liegt vor allem daran, dass der Bahnhof derzeit umgebaut wird.

Zukunftsfähige Infrastruktur. Die Pläne zur Elektrifizierung der Pinzgaubahn (von Zell am See nach Krimml) nehmen langsam Gestalt an. In Kaprun zieht der erste elektrisch betriebene Skibus Österreichs seine Runden, und auch die Buslinien der Region sollen künftig mit E-Bussen verkehren. Das Netz der Ladestationen wächst kontinuierlich und umfasst inzwischen 15 öffentliche und 30 private Ladestellen für E-Autos sowie 30 Ladestellen für E-Bikes.

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Die E-Mobilität auf zwei Rädern erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei Gästen und Einheimischen – als sportliche Betätigung, aber auch im Alltagsverkehr. Diesen Trend weiter zu fördern, ist deklariertes Ziel der KEM. Einen wichtigen Baustein dazu bildet eine sichere und komfortable Radverkehrsinfrastruktur. So sollen in Kaprun im Frühjahr die Arbeiten zur Verbreiterung der Radwege beginnen. In Zell am See wälzt die Gemeinde Pläne für einen Radschnellweg Richtung Kaprun. „Lückenschluss zwischen den bestehenden Radwegen und Radrouten“ lautet Vitzthums Zauberformel für künftige Radverkehrsprojekte.

Beratungsoffensive. Möglichst klimaschonend soll sich auch der Aufenthalt gestalten. So bietet die KEM der Tourismusbranche über die gesamte Projektlaufzeit intensive Beratungen an: einerseits zu Photovoltaik, Wärmepumpen und anderen Heizungsalternativen zu Öl und Gas, andererseits zur Mobilität – vom E-Bike-Verleih bis zur betriebseigenen Ladestation. Einen weiteren Schwerpunkt setzt Vitzthum im Bereich regionaler Lebensmittel: „Fleisch, Eier und Käse gibt es von Bauernhöfen rundum. Für Obst und Gemüse und andere Produkte müssen wir den Regionalitätsbegriff natürlich weiter fassen – zum Beispiel Wein aus Südtirol“, sagt Vitzthum. „Wir möchten dabei mit unseren Betrieben und den Erzeuger*innen auch diese Transporte besser abstimmen und effizienter gestalten.“

Weiters erfasst die KEM Wärmequellen in der Region wie beispielsweise Abwässer aus Wellness-Ressorts und großen Hotels. „Das Ziel lautet, diese Wärmequellen künftig sinnvoll zu nutzen. Erste Potenziale wurden bereits identifiziert, für konkrete Projekte ist es angesichts der Komplexität aber noch zu früh“, erläutert der KEM-Manager. Fix ist dagegen die Errichtung eines Kleinwasserkraftwerks am Schmittenbach in Zell am See.

Tragfähige Netzwerke. Obwohl der Schwerpunkt der KEM im Bereich Tourismus liegt, ist es für Vitzthum sehr wichtig, „auch die Bevölkerung mitzunehmen“. „Wir wollen dabei nicht mit Verboten, sondern mit Angeboten arbeiten“, sagt Vitzthum. Die Reaktionen der Bevölkerung seien größtenteils sehr positiv, die Kooperation mit den Gemeinden, dem Steuerungsausschuss und den Bergbahnen funktioniere sehr gut. Weiters arbeitet Vitzthum an der Gründung von Energiegemeinschaften. Hier zeichnet sich eine erste Kooperation zwischen der Stadtgemeinde Zell am See, dem Ferry Porsche Congress Center und der Freizeitanlage FREGES (Fremdenverkehrs GmbH & CoKG) ab.

Seine spärliche Freizeit verbringt der KEM-Manager, wie bereits erwähnt, am liebsten in den Bergen – mit seiner Lebensgefährtin, seiner 14-jährigen Tochter und seinem elfjährigen Sohn. Hin und wieder reitet er auch sein Motorrad durch den Wald, aber nur auf Privatgelände und nahezu lautlos. Denn nicht nur sein Auto, sondern auch sein Motorrad werden elektrisch angetrieben.

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