KEM-Managerin im Porträt. Sybille Chiari arbeitete viele Jahre am Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur in Wien, bevor sie 2022 das Management der KEM Vöckla-Ager übernahm. Hier treibt sie nun Energiegemeinschaften, das Radfahren und die Jugendarbeit voran.
Nebel streicht über die Felder, vom nahen Wald ruft ein Käuzchen. Unter den Äckern schlummern Boden-Zombies. Was wie der Beginn eines schlechten Horrorfilms klingt, ist freilich ganz harmlos und Teil des laufenden Klimaschulenprojekts in der KEM Vöckla-Ager*. Kinder und Jugendliche graben Smileys aus Baumwolle in einem Feld ein und holen diese acht Wochen später wieder heraus. Warum?
Altersgerecht informieren. „Dabei handelt es sich um einen einfachen Versuch, der einen Hinweis auf die Bodenfruchtbarkeit gibt“, klärt Sybille Chiari die Sache auf. „Je durchlöcherter und zersetzter der Stoff wieder aus dem Boden kommt, also je zombiehafter, umso besser geht es dem Boden und seinen Lebewesen.“ Insgesamt wird im dritten Klimaschulenprojekt der KEM-Managerin mit dem Titel „Back to the Roots“ viel Hand angelegt. Es geht um das Verhältnis von Mensch und Natur – und neben den Volksschulen Regau und Rutzenmoos nimmt heuer auch die Landwirtschaftsschule Vöcklabruck teil.
Damit nicht genug, organisierte Chiari gemeinsam mit der Don Bosco Schule Vöcklabruck, dem BG Vöcklabruck und der MS Neukirchen an der Vöckla die erste Klimajugendkonferenz im Offenen Kulturhaus Vöcklabruck (OKH). Am Morgen des 23. September heizte der Rapper, Beatboxer und Musiker DAN LIO den 120 Schüler:innen mit seinen Songs, aber auch mit seinem inspirierenden Vortrag zum Thema Klimaschutz ordentlich ein. Danach konnten die Jugendlichen aus mehreren Workshops wählen und selbst aktiv werden: „klimatarisch“ kochen, Naturkosmetik selbst herstellen, T-Shirts mit Klimasprüchen bedrucken oder am Medienworkshop im Radionest Vöcklabruck teilnehmen.
Gelungene Klimagala. Auch bei der regionalen Klimagala von der KEM und LEADER-Region Vöckla-Ager in Schwanenstadt am 13. September wurde Wissen auf unterhaltsame Weise vermittelt. Science Buster Martin Moder schwadronierte über „genetischen Klimaschutz“, die Umstellung der menschlichen Ernährung auf Photosynthese oder das Kleinzüchten der menschlichen Spezies. Seine absurde wissenschaftliche Beweisführung machte letztlich deutlich, dass an echtem Klimaschutz kein Weg vorbeiführt.
Die Klimagala bot auch einer ganzen Reihe regionaler Projekte und Initiativen eine Bühne: Das regionale E-Carsharing Angebot wurde ebenso vorgestellt wie der Velobus der Radlobby Vöcklabruck und die neue Mitfahrplattform der Region. Weiters ging es um Green Events, nachhaltige Schulkleidung, Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, solidarische Landwirtschaft (SOLAWI), FoodCoops, Reparatur-Cafés und das nachhaltige Wohnprojekt Belehof. Den feierlichen Abschluss bildete die Verleihung des ersten Climate Youth Awards der Region Vöckla-Ager, den Lukas Hinteregger für sein Kurzvideo mit nach Hause nehmen durfte.
Speicher für EEGs. In der KEM Vöckla-Ager haben bereits acht Gemeinden** eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) gegründet. „Mein Ziel ist, unsere KEM flächendeckend mit EEGs zu versorgen, und dass wir uns noch stärker der Energieraumplanung widmen“, sagt Chiari. Aktuell betreut die KEM-Managerin zwei private EEGs.
Hohe Wellen schlägt nun das im Juni gestartete Leitprojekt „Speicherkonzepte für EEGs“, in das mehrere KEM-Regionen enger eingebunden sind (u.a. Traunsteinregion, Nachhaltiges Saalachtal, Elsbeere Wienerwald). Zunächst soll eine Vernetzung von Echtzeitdaten der Smart Meter erprobt werden. „Die 15-Minutenwerte vom Netzbetreiber stehen EEGs erst mit einer zeitlichen Verzögerung von ca. 24 Stunden zur Verfügung“, erläutert Chiari. „Speicher können derzeit also nur nach Erfahrungswerten und ‚Gefühl‘ be- und entladen werden. Mit Echtzeitdaten könnten Speicher optimal für die EEG-Mitglieder, aber auch für die Netzstabilität gesteuert werden.“
Getestet wird nicht nur die Einbindung von Kurzzeitspeichern (Batterien), sondern auch von Langzeitspeichern. Der Energiegemeinschaft Haunolding in Gampern ist es gelungen, eine gebrauchte Wasserstoffanlage mit Elektrolyseur, Speicherbündel und Brennstoffzelle zu erstehen. Damit wird überschüssiger PV-Strom aus dem Sommer mit Hilfe der Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und im Speicher auf Vorrat gehalten. Mit dem gespeicherten Wasserstoff, so der Plan, soll eine Brennstoffzelle im Winter die geringere Sonnenstromausbeute ausgleichen. Die Erfahrungen aus dem Leitprojekt werden in einer begleitenden Webinarreihe mit anderen KEMs und EEGs geteilt.
Lücken im Radnetz schließen. Im Juni 2022 übernahm Chiari das KEM-Management von Sabine Pommer und ein gerade fertig gewordenes Konzept für ein Alltagsradwegenetz in der Region. Die Routen wurden von LEADER und KEM Vöckla-Ager, dem Verkehrsplanungsbüro komobile und 21 Gemeinden erarbeitet. Nun steht die Realisierung von Lückenschlüssen und Radwegausbauten an. Der Projektbericht beschrieb 48 konkrete Verbesserungsmaßnahmen. Bei mehr als der Hälfte dieser Maßnahmen sind allerdings auch Grundstücke betroffen, die sich nicht im Eigentum der öffentlichen Hand befinden. Die Verhandlungen mit den Grundstücksbesitzer:innen werden noch Zeit und Geld kosten.
„Parallel dazu machen wir die bereits vorhandene Radverkehrsinfrastruktur und das geplante Radnetz besser sichtbar – durch eine einheitliche Beschilderung, aber auch digital“, so Chiari. „Denn oft sind die laut Routenplanung vorgeschlagenen Strecken nicht stimmig.“ Auch Videos aus der Fahrradperspektive sind geplant. In den Schulen werden über klimaaktiv Fahrradkurse angeboten – und die HAK Vöcklabruck hat sich gleich eine ganze Radflotte zugelegt, damit ihre Schüler:innen bei Radausflügen garantiert auf sicheren Drahteseln unterwegs sind.
In Vöcklabruck konnte kürzlich das dritte E-Carsharing-Auto in Betrieb genommen werden, in Schwanenstadt und Ungenach steht je ein Fahrzeug zur Verfügung. „Ich erhalte viele Wünsche zu weiteren Standorten und bin mit drei Gemeinden nun im Gespräch“, so Chiari.
Gefiederte Freunde. Sybille Chiari stammt aus dem Kleinen Walsertal und lebt seit sieben Jahren in Rutzenmoos. Sie studierte Landschaftsplanung und promovierte im Bereich nachhaltige Entwicklung. Danach arbeitete sie viele Jahre bei Helga Kromp-Kolb am Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur in Wien. Nach einem kurzen Ausflug in die Privatwirtschaft bewarb sie sich erfolgreich als KEM-Managerin. Ihre Freizeit verbringt sie gerne mit Bergsteigen, Snowboarden und neuerdings mit Reiten. Ganz besonders begeistert sich Chiari für die Vogelwelt. Sie beteiligt sich als Hobby-Ornithologin auch an den Vogelzählungen von Bird Life.
* Zur KEM Vöckla-Ager gehören die Gemeinden Ampflwang im Hausruckwald, Atzbach, Desselbrunn, Fornach, Frankenburg am Hausruck, Gampern, Manning, Neukirchen an der Vöckla, Niederthalheim, Oberndorf bei Schwanenstadt, Ottnang am Hausruck, Pfaffing, Pilsbach, Pitzenberg, Pöndorf, Puchkirchen am Trattberg, Pühret, Redleiten, Redlham, Regau, Rüstorf, Rutzenham, Schlatt, Schwanenstadt, Timelkam, Ungenach, Vöcklabruck, Wolfsegg am Hausruck und Zell am Pettenfirst.
** Ampflwang im Hausruckwald, Gampern, Ottnang am Hausruck, Pfaffing, Regau, Schwanenstadt, Timelkam und Vöcklabruck
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