Privates Carsharing einfach gemacht

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Nutzen was da ist, lautet die Devise im Leitprojekt Nachbarschaftsauto. Manche Menschen haben ein Auto und nutzen es kaum, andere haben keines, bräuchten aber hin und wieder eines. Das Leitprojekt in der KEM Zukunftsraum Thayaland bringt beide Gruppen zusammen und unterstützt sie.

„Die Bedingungen für kommerzielles Carsharing sind in ländlichen Regionen wie dem Waldviertel schwierig und in kleinen Orten kaum zu schaffen. Aber es gibt ein großes Potenzial für privates Carsharing in der Nachbarschaft“, beschreibt Renate Brandner-Weiß ihre Überlegungen. Sie ist Energie- und Mobilitätsberaterin in Niederösterreich und leitet das Projekt.

Professionelle Carsharing-Anbieter:innen müssen einiges in Hard- und Software für den Verleihbetrieb investieren, bevor es losgehen kann. Sie benötigen ausreichend Mitglieder und viele gefahrene Kilometer, damit sich die Sache rentiert. Das gelingt in den meisten Großstädten gut, in manchen österreichischen Kleinstädten dagegen musste das E-Carsharing eingestellt werden.

Peer-to-Peer. Brandner-Weiß stutzt das Konzept des Autoteilens daher auf das Nötigste zusammen und verlagert es aus dem kommunalen und kommerziellen Bereich in die Privatsphäre. Lizenzkosten für die professionelle Verleihsoftware, für Kartenleser oder die Suche nach einem geeigneten Standort fallen weg. Das Auto steht, wo es steht, nämlich bei den Eigentümer:innen. Diese tragen weiterhin die Verantwortung für Versicherung, Steuer, Service und „Pickerl“ – und legen die Bedingungen fest, unter denen sie ihr Fahrzeug verleihen.

Das Leitprojekt Nachbarschaftsauto hilft ihnen dabei mit Informationen, die zum Projektabschluss auch anderen Menschen zur Verfügung stehen werden, die ihr Stehzeug in ein Fahrzeug verwandeln möchten. Es geht um verschiedene Modelle für Verleih und Abrechnung, um die Modalitäten bei Schlüsselübergabe, Pannen oder Unfällen und natürlich auch um rechtliche Bestimmungen, um Vollkaskoversicherung versus Haftpflicht und um steuerliche Aspekte.

Gelungener Start. Im September 2024 startete Michael Pollak in Rafings, wo der Regionalbus nur an Schultagen und höchst spärlich verkehrt, den Testbetrieb mit seinem nachbarschaftlichen Autoverleih. Da der Softwareentwickler und Senior Lecturer an der TU Wien in der (immer länger werdenden) warmen Jahreszeit gerne mit Rad und Zug nach Wien pendelt, stand sein Auto früher oft ungenutzt in der Garage. Seit Oktober gibt es „Normalbetrieb“: Bis Jahresende kamen insgesamt 31 Fahrten von acht Personen aus der Nachbarschaft zustande – gegen sechs Euro pro drei Stunden.

Das klingt zunächst nach wenig, ist aber durchaus vielversprechend. Denn diese acht Menschen repräsentieren immerhin elf Prozent der Bevölkerung des 70-Einwohner:innen-Dorfs. Vor allem junge Menschen und jene, die in Pension gehen, nutzen das Nachbarschaftsauto. „Wer mit dem Auto täglich zur Arbeit fährt, wird wohl weiterhin ein eigenes Auto benötigen, aber die Anschaffung eines Zweit- oder Drittautos ist dann vielleicht nicht mehr nötig, wenn ein oder mehrere Nachbarschaftsautos zur Verfügung stehen“, sagt  Pollak. „Die sechs Euro decken die Kosten für die üblichen Fahrten zum Einkaufen oder zum Bahnhof ab. Wenn jemand weitere Fahrten vorhat und das Auto länger braucht, klären wir das einfach telefonisch.“

Halbzeit im Leitprojekt. Bis Mitte des Jahres wird Brandner-Weiß noch zwei weitere Nachbarschaftsautoprojekte begleiten – mit einer einfachen Terminbuchungssoftware und natürlich mit viel fachlichem Know-how. Sie ist schließlich auch als Geschäftsführerin der TRE Thayaland GmbH tätig, die ein E-Carsharing mit derzeit sechs Fahrzeugen betreibt. Die einfache Buchungssoftware samt allen nötigen Informationen für die Ausleiher:innen können in eine bestehende Website integriert oder im eigenen Webspace platziert werden. In Rafings hat sich der Dorferneuerungsverein bereit erklärt, die Buchungssoftware für das Nachbarschaftsauto in seine Website einzubetten.

„Es geht im Projekt nicht um Vermietung, sondern um Empowerment hin zu einem abgesicherten, einfachen und keine laufenden Kosten verursachenden Modell des Nachbarschaftsautos“, fasst Renate Brandner-Weiß zusammen, und mindestens ein Drittel aller zugelassenen Pkw  käme aus ihrer Sicht in Frage, „also ein Riesenpotenzial“.

Weitere Informationen:
Leitprojekt Nachbarschaftsauto
KEM Zukunftsraum Thayaland
TRE Thayaland GmbH
Rafings hat ein Nachbarschaftsauto