Wahrscheinlich die größte zusammenhängende PV-Bürgerbeteiligungsaktion des Landes haben die sechs Retzer Land – Gemein-den geschafft: sie gehen mit gutem Beispiel voran und haben seit Herbst 2020 19 PV-Anlagen mit insgesamt 555 Kilowatt Spit-zenleistung auf ihren öffentlichen Gebäuden errichtet, welche durch finanzielle Beteiligung von über 230 BürgerInnen ermöglicht werden. Der Überschussstrom soll künftig in einer Energiegemeinschaft vermarktet werden. In der Bevölkerung hat die Offensive deutlich gesteigertes Interesse an eigenen PV-Anlagen hervorgerufen.
150 Millionen Euro für Benzin, Diesel und Erdgas – soviel würden alle im Retzer Land für fossile Energie bis 2030 ausgeben. Viel Geld, das in der Region fehlt und dem Klima ordentlich einheizt. Das gerade eine sonnenreiche Weinregion wie das Retzer Land doch viel besser machen, denn: SONNE macht nicht nur GUTEN WEIN, sondern auch GUTEN STROM! Ziel war, in jeder Gemein-de mindestens ein kommunales Gebäude mit einer PV-Anlage auszustatten. Geworden sind es 19 Anlagen in 5 Gemeinden. Weiteres Ziel war vor allem, durch die Umsetzung viele Nachahmer in der Bevölkerung zu animieren und so auch die private Ausbaurate an PV-Anlagen zu stärken.
Projektbeginn war im Frühjahr 2020. Erster Ansprechpartner war die Energie- und Umweltagentur des Landes NÖ (ENU), welche Unterstützung bei der Abwicklung von Bürgerbeteiligungsprojekten anbietet. Zuerst wurden die Gemeinden um Nennung mögli-cher PV-Standorte gebeten, die anschließend durch die ENU auf ihre Eignung geprüft wurden. Jede Gemeinde wählte daraus die geeignetsten Flächen aus und beauftragte einen Elektro-Sachverständigen mit der genauen technischen Formulierung der Aus-schreibung. Beteiligte Experten waren somit die ENU für die Erstauswahl der Gebäude sowie der Kalkulation der Finanzierung mittels Bürgerbeteiligung, als auch ein Elektro-Sachverständiger für die Spezifizierung der Anlagen sowie zur Formulierung der Ausschreibung. Das Projekt ist im Wesentlichen abgeschlossen, dennoch führen aufgrund des Erfolges einige Gemeinden bereits weitere Bürgerbeteiligungsprojekte durch.
Gesamtinvestitionskosten ca. 700.000 Euro brutto, Förderungen KEM-Invest (+fallweise Bedarfszuweisungen des Landes) ca. 230.000,-, Jährliche Stromkostenersparnis ca. 28.000,- pro Jahr. Dies soll durch Energiegemeinschaft gesteigert werden.
Ersparnis ca. 190 Tonnen CO2 pro Jahr (lt. ENU-Berechnung)
Alle Projektziele wurden erreicht: Massiver Ausbau der kommunalen PV-Anlagen, durch Bürgerbeteiligung starke öffentliche Sichtbarkeit, spürbare Motivationssteigerung in der Bevölkerung. Das sperrige „Klimaschutz“-Thema wurde damit durch eine angenehme Mitmachstimmung bereichert. Auch die Gemeinden selbst konnten erkennen, dass mit dem Thema regionale Ener-gieversorgung die Menschen zu begeistern sind. Verleihung des „European Climate Star Award 2021“ in der Kategorie „Bürger-beteiligung“.
Probleme: Anfangs mussten die Gemeinden gut informiert werden, da diese unbekannte Finanzierungsform des „Sale and Lease back“ zu vielen Unklarheiten führte. Man muss klar kommunizieren, dass ein reiner Bankkredit günstiger wäre, man aber dadurch all die anderen Zusatznutzen verliert. In der Umsetzung selbst muss man sich viel auf externe Experten verlassen, was manchmal daneben gehen kann. Seltsam war auch, dass die ENU als Landesagentur die Bürgerbeteiligungsmodelle aktiv be-wirbt, aber die Gemeindeaufsicht des Landes NÖ dies sehr kritisch sieht (Argument: „Bankkredit wäre ja billiger“) und den Ge-meinden mitunter Probleme gemacht hat.
Generell eignet sich diese Umsetzung gut, um einen öffentlichkeitswirksamen Start von Klimaschutzaktivitäten zu machen. PV ist positiv besetzt, die Gemeinden können sich als proaktive Gestalter präsentieren.
Gut gelaufen ist, dass alle Gemeinden nach kurzer Überzeugungsarbeit voll hinter der Idee der in der Abwicklung aufwändigeren Bürgerbeteiligung gestanden sind. Gut ist auch die Zusammenarbeit mit der ENU gelaufen. Empfehlung: Gemeinde sollte früh-zeitig mit Gemeindeaufsicht des Landes Kontakt aufnehmen, um das Finanzierungsmodell genehmigt zu bekommen.
Nach Abschluss der ersten PV-Runde haben 2 Gemeinden aufgrund der starken Nachfrage gleich eine 2. Runde mit 4 neuen Gebäuden gestartet und erfolgreich abgeschlossen. Die positiven Nebeneffekte sind bereits oben beschrieben.
Bis 2019:
Referent für Klima & Energie,
Umweltdachverband Österreich
2012-2017:
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit,
Universität für Bodenkultur Wien
Studium:
Umwelt- und Bioressourcen-Management,
Universität für Bodenkultur Wien
Schule:
HTL Hollabrunn,
Abteilung Regelungstechnik
Weiters:
Ranger im Nationalpark Thayatal
Energieberater A-Kurs
"Zum Auftakt der KEM war ein öffentlichkeitswirksames Projekt gefragt: mit der höchst erfolgreichen Umsetzung der PV-Offensive unter starkem Engagement der Bürgermeister und Beteiligung der Bevölkerung konnte hohe mediale Aufmerksamkeit erregt werden. So wurde auch ein Artikel auf orf.at veröffentlicht und ein Fernsehbeitrag in der Sendung „Niederösterreich Heu-te“ auf ORF2 ausgestrahlt. In der Bevölkerung hat das Thema PV dadurch spürbar an Aufmerksamkeit gewonnen, viele Privat-haushalte und Betriebe überlegen nun vermehrt, selbst PV zu installieren. Einziger Schwachpunkt: die Installateure sind dzt. überlastet."