„Nur nicht nachgeben!“

1 Simader C

KEM-Manager im Porträt. Seine Karriere startete er als eiskalter Sanierer in der Kommunalwirtschaft, doch schon bald begann er für die Energiewende zu brennen. Alexander Simader entwickelte Ideen und Projekte, die weit über seine Klima- und Energie-Modellregion (KEM) Unteres Traisental hinaus reichen. Mit seinem Unternehmen „Energy Changes“ war er rund um den Globus tätig, nun will er mit ganzer Kraft die Energiewende vor seiner Haustür vorantreiben.

Viel Wasser fließt die Traisen hinunter. Mehr als früher, nämlich mindestens 500 Liter pro Sekunde. Drei Fischaufstiege wurden Ende 2015 errichtet – und trotzdem erzeugen die 52 Kleinkraftwerke an den Werkskanälen der unteren Traisen nun acht Prozent mehr Strom als noch vor drei Jahren. Möglich machte das die Wasserkraftoffensive der KEM Unteres Traisental. „Wir konnten in den vergangenen Jahren die Effizienz von 15 Kleinwasserkraftwerken steigern“, freut sich KEM-Manager Alexander Simader.

Weltweite Erfahrungen. Die Wasserkraft liegt Simader besonders am Herzen, schließlich absolvierte er 1998 an der Universität für Bodenkultur das Studium „Kulturtechnik und Wasserwirtschaft“. In der Folge privatisierte er für ein niederösterreichisches Unternehmen technische Dienste in Osteuropa – etwa in den Bereichen Abfallwirtschaft, Straßenbeleuchtung und Winterdienst. Dabei gelang es ihm erstmals in Europa, Deponien mit Geld aus dem CO2-Zertifikathandel zu sanieren und aus dem Deponiegas Strom zu erzeugen.

„Danach wollte ich mich mehr der Entwicklungszusammenarbeit widmen und habe mich selbstständig gemacht“, erinnert sich Simader. 2006 gründete er gemeinsam mit Clemens Plöchl die Firma Energy Changes, deren Eigentümer er bis heute ist. „Wir haben sehr viele Machbarkeitsstudien in Österreich erstellt, zum Beispiel für Photovoltaikanlagen auf Schuldächern. Doch zahlreiche Projekte verschwanden in der Schublade. Weil viele der Projekte niemand realisieren wollte, habe ich 2007 spectra.today gegründet und begonnen, Anlagen nicht nur zu planen, sondern auch selbst zu finanzieren.“

Regionales Engagement. „Wir haben uns um internationale Energieprojekte, zum Beispiel die Deponieentgasungen der Stadt Moskau, sechs Industrieprojekte im Iran oder ein Wasserkraftwerk zwischen Uganda und Tansania gekümmert, doch in meiner unmittelbaren Heimat steckte die Energiewende 2009 noch in den Kinderschuhen“, erklärt Simader und setzt mit Augenzwinkern nach: „Deshalb habe ich den Eindruck, dass das KEM-Programm genau für mich erfunden wurde. Dieser Sache wollte ich mich wirklich widmen.“ Als dann die Emotionen rund um die Windkraft in Traismauer hochkochten, nahm er seine Mitarbeiterin Birgit Weiß* aus der Schusslinie, löste sie als ManagerIn der KEM Unteres Traisental ab und legte die Geschäftsführung bei Energy Changes zurück.

Heftiger Konflikt. Der Hintergrund für den Zwist in der Region: Die Gemeinde Traismauer möchte fünf Windräder errichten, die benachbarten Gemeinden Sitzenberg-Reidling und Herzogenburg – ebenfalls Teil der KEM Unteres Traisental – sind dagegen. Eine erste Volksbefragung in Traismauer hatte beinahe eine Zweidrittelmehrheit für die Windkraft gebracht, eine zweite Abstimmung endete genau umgekehrt. Dennoch beharrt die Gemeinde Traismauer auf ihren Plänen und erhält Rückendeckung vom KEM-Manager: „Wir dürfen nicht der Angstmacherei nachgeben.“ Im Zuge dieser Auseinandersetzung habe er viel über gesellschaftliche Prozesse im Zuge der europäischen Energiewende gelernt, meint Simader.

Trotz des Konflikts gelang es ihm 2016, im Zuge der Umstellung der KEM-Trägerschaft auf eine öffentlich-öffentliche Partnerschaft Traismauer und Herzogenburg zur Gründung eines neuen Trägervereins zu bewegen, dem auch fünf weitere Gemeinden – Wölbling, Statzendorf, Paudorf, Inzersdorf-Getzersdorf und Nußdorf ob der Traisen – angehören. Von sich Reden macht aber auch ein anderer Verein, den Simader 2013 gemeinsam mit Matthias Zawichowski (KEM Elsbeere Wienerwald) gründete: fahrvergnügen.at.

Mister E-Car-Sharing. Anlass dazu waren die Pläne von MOVE Herzogenburg, ein E-Car-Sharing ins Leben zu rufen. Als Simader das hörte, freute er sich, hatte aber gleichzeitig „Bauchschmerzen“. Würde es ein kleiner lokaler Verein überstehen, falls plötzlich einige E-Car-NutzerInnen aussteigen? fahrvergnügen.at kümmert sich daher um die Fahrzeuge, um deren Finanzierung und Wartung und stellt sie lokalen E-Car-Sharing-BetreiberInnen zur Verfügung. Diese achten als sogenannte Lade-CheckerInnen darauf, dass immer genug Ökostrom im Tank ist, schulen die NutzerInnen ein und sorgen durch Mundpropaganda für das Wachstum ihrer lokalen Projekte. Heute hat MOVE Herzogenburg 60 NutzerInnen und drei E-Cars auf der Straße. fahrvergnügen.at besitzt inzwischen 36 Elektroautos, die unter anderem in Krems, Tulln, Pressbaum und Traismauer im Einsatz sind.

Für diese meist ehrenamtlichen Lade-CheckerInnen oder StandortadministratorInnen entwickelt Simader derzeit gemeinsam mit 13 anderen Klima- und Energie-Modellregionen ein Qualifizierungsprogramm, das im Rahmen eines Leitprojekts des Klima- und Energiefonds heuer in die Praxis umgesetzt wird. Damit sollen einerseits die Chancen erhöht werden, dass die Standorte überleben oder sogar wachsen, anderseits sollen die lokalen Akteure unterstützt und damit ihre Rolle im Rahmen der Energiewende gestärkt werden.

Zweiradfan. Sein persönliches Fahrvergnügen findet Simader am Sattel eines Johammers, dem elektrischen Motorrad aus Oberösterreich. Wenn er etwas mit Traismauers Bürgermeister Herbert Pfeffer zu besprechen hat, kann er sein Bike allerdings stehen lassen. Denn das neue KEM-Zentrum – eingerichtet in einem seit Jahrzehnten leer stehenden und nun sanierten Gebäude – steht gegenüber vom Rathaus. „Mit dem KEM-Zentrum haben wir nun nicht nur ein sichtbares Zeichen für die Energiewende in unserer Region, sondern auch Räumlichkeiten für Sprechstunden, Bürgerberatungen und Seminare“, so Simader.

Die Freizeit verbringt Alexander Simader am liebsten mit seiner Frau und seiner siebenjährigen Tochter. Doch alle paar Jahre packt es ihn, und dann läuft er einen Marathon. Drei Stunden und 17 Minuten brauchte er zuletzt im Jahr 2014 beim 31. Vienna City Marathon. Der KEM-Manager kann also nicht nur hart gegen die GegnerInnen der Energiewende auftreten, er kann auch ganz schön hart zu sich selbst sein.

* Nunmehr: Birgit Gräll