Die Klimakrise geht uns alle an. Aber haben auch alle die Mittel, um gegenzusteuern? Nein. Gibt es trotzdem Wege, um ärmere Bevölkerungsgruppen an der Energiewende zu beteiligen? Ja. Davon sind zumindest drei vom Klima- und Energiefonds unterstützte Projektkonsortien überzeugt, die an solidarischen Energiegemeinschaften arbeiten.
Wer sehr wenig Geld zur Verfügung hat, unternimmt keine Flugreisen, fährt meist kein Auto und kann sich manchmal nicht einmal das Heizen leisten. Einkommensschwache Haushalte verursachen in aller Regel nur einen sehr kleinen ökologischen Fußabdruck, leiden aber unter hohen Energiepreisen besonders stark. Und sie haben kaum eine Chance, selbst aktiver Teil der Energiewende zu werden. Ihnen fehlt das Geld für eigene Photovoltaik-Anlagen, neue Heizungen oder eine aktive Bürgerbeteiligung im Bereich erneuerbarer Energie.
Die Menschen mitnehmen. Wie kann die Bevölkerung am unteren Ende der Einkommenspyramide an der Energiewende teilhaben? Das ist die Ausgangsfrage für drei Projekte, die im Rahmen der Ausschreibung „Leuchttürme für resiliente Städte 2040“ vom Klima- und Energiefonds aktuell unterstützt werden. Darin sollen Strategien für sozial gerechte oder solidarische Energiegemeinschaften entwickelt und umgesetzt werden.
Am 23. Dezember des Vorjahres langte bei Bente Knoll die positive Förderentscheidung ein – „fast wie ein Weihnachtsgeschenk“. Sie betreibt die B-NK GmbH, ihr Büro für nachhaltige Kompetenz, und startete Anfang März mit dem dreijährigen Projekt „Energy WITH Spirit“. „Ziel ist die pionierhafte Umsetzung einer solidarischen Energiegemeinschaft – oder auch mehrerer – im evangelisch-diakonischen Bereich“, so Knoll. „Mindestens zehn Prozent der produzierten Energie oder des erwirtschaftenden Gewinns sollen mit sozial benachteiligten Haushalten oder allgemein mit von Armut Betroffenen geteilt werden.“
Zwei potenzielle Standorte sind bereits identifiziert: Auf dem Dach des Schülerheims Bad Goisern, das dem Evangelischen Waisenversorgungsverein gehört, wurde gerade eine Photovoltaik-Anlage mit 68 kWp installiert. Und auch das Evangelische Realgymnasium Donaustadt in Wien soll bald ein Sonnenkraftwerk erhalten. Mitte September startet Knoll mit ihrem Team eine Potenzialerhebung unter den über 200 evangelischen Pfarrgemeinden sowie weiteren evangelischen Einrichtungen und Vereinen. Ziel ist es, herauszufinden, welche erneuerbaren Energieanlagen bereits betrieben werden und wo es die Möglichkeit für weitere gäbe.
Veränderung von unten. „Die evangelische Kirche ist nach dem Bottom-up-Prinzip organisiert. Wir werden daher nach Modellen suchen, die für die kirchliche Basis passen – technisch, betriebswirtschaftlich, aber auch theologisch“, erklärt Knoll. Ob es eine lokale oder regionale Erneuerbare Energiegemeinschaft oder eine Bürgerenergiegemeinschaft wird, hängt von der Forschungs- und Entwicklungsarbeit der nächsten zwei, drei Jahre ab. Kooperationen mit lokalen Unternehmen oder den Gemeinden – zum Beispiel auch im Sinn der Blackout-Vorsorge – sind dabei möglich.
Unter dem Titel „SOL:E“ möchte das Team um AEE – Institut für Nachhaltige Technologien, darunter auch die Diözese Graz-Seckau und die Caritas, mindestens eine solidarische Energiegemeinschaft entwickeln und umsetzen. Als deren Standort ist Graz geplant. Ziel ist, kurz zusammengefasst, zu erforschen, wie ein ausgewogener sozialer Mix in einer Energiegemeinschaft Hand in Hand mit einem ausgewogenen Mix aus Produzent:innen, Prosumer:innen und Konsument:innen gehen kann. Aktuell arbeitet das Team daran, verschiedene solidarische Teilhabemodelle zu finden, beispielsweise bei der Finanzierung und Tarifgestaltung.
Die 4ward Energy Research GmbH startete im Mai gemeinsam mit ihren Projektpartner:innen die Arbeiten zu den „Betriebsmodellen für sozial gerechte Energiegemeinschaften“. Dabei stehen die Organisationsform, die Mitgliederstruktur sowie die Teilhabe an der Energiegemeinschaft und nicht zuletzt die Tarife im Fokus der Forschung. Die so entwickelten Betriebsmodelle werden gemeinsam mit den Initiator:innen in Wien und Niederösterreich finalisiert und schließlich umgesetzt.
Geballte Brainpower. Die Projektleiter:innen aller drei Projekte haben sich bereits online getroffen. Man darf gespannt sein, was herauskommt, wenn Energieexpert:innen ihre Köpfe mit Kirchenvertreter:innen und einer kommunistisch regierten Stadt zusammenstecken. Solidarische Energiegemeinschaften können und sollen etwas Verbindendes an sich haben.