Von Windpark bis Sonnenfeld

Bauernhof4

Interview. Irene Schrenk ist Raumplanerin und hat viele Jahre im Mobilitätsbereich gearbeitet, bevor sie von April 2022 bis Dezember 2023 KEM-Managerin wurde. In ihrer KEM Energie3, die vom Energiepark Bruck/Leitha betreut wird, dreht sich nicht alles nur um den Wind, sondern immer stärker auch um Sonnenenergie und aktive Mobilität.

1995 wurde der Energiepark Bruck/Leitha gegründet und zählt damit zu den Pionieren der Windkraft in Österreich. Können Sie uns einen kurzen Überblick über die Entwicklungen seither geben?

Irene Schrenk: Der Energiepark wurde 1995 von politischen Vertreter:innen der Stadtgemeinde Bruck/Leitha als regionales Kompetenzzentrum für Planung, Projektierung und Betrieb von erneuerbaren Energieanlagen gegründet. In Bruck konnten im Jahr 2000 die ersten fünf Windkraftanlagen mit je 1,8 MW Leistung errichtet werden. Diese liefern bis heute Strom. Ein Windrad wurde mit einer Aussichtsplattform ausgestattet, welche von Besucher:innen sehr gerne erklommen wird und eine Attraktion für Schulklassen und Interessierte aus der Region und weit darüber hinaus ist. Für nächstes Jahr sind die rund 100 Führungen nahezu ausgebucht.
Bis heute hat der Energiepark mehr als 80 Windkraftanlagen errichtet. Diese unterscheiden sich aufgrund der technischen Weiterentwicklung klar von den ersten Anlagen damals – so verfügen beispielsweise Anlagen, die derzeit projektiert werden, eine Leistung von 6 bis 7 MW.

Wir sind aber auch – neben dem Fokus auf Windkraft – in den Bereichen Sonne, Biogas und Kleinwasserkraft sehr aktiv. Bereits bei der Energiepark-Gründung lautete das Motto „Wir zeigen, dass es machbar ist“. Nun, 28 Jahre danach, nutzen wir auch alle lokal verfügbaren erneuerbaren Energieträger. Seit mehreren Jahren betreut der Energiepark auch die KEM Carnuntum mit Philip Loitsch als KEM-Manager und KEM Energie3, für die ich verantwortlich zeichnete. Seit kurzem arbeiten auch zwei KLAR!-Manager:innen bei uns – Julia Jüly (KLAR! Am Leithaberge) und Sonja Wirgler (KLAR! Lanzendorf+). Auch das LEADER-Management ist in unmittelbarer räumlicher Nähe zu unserem Bürogebäude angesiedelt.

Wie hoch ist aktuell die installierte Windkraft-Gesamtleistung in der Region?

Der Energiepark Bruck/Leitha betreibt derzeit 54 Windkraftanlagen mit insgesamt 168 MW in der Region, davon 21 Anlagen mit 65 MW in den Gemeinden* der KEM Energie3. Ziel des Energieparks ist unter anderem, seine Stromproduktion bis 2030 von aktuell 0,4 auf 1 TWh auszubauen, was dann etwa einem Prozent des gesamten österreichischen Strombedarfs entsprechen wird. Dafür arbeiten wir jeden Tag mit vollem Engagement.

Zwischen 2018 und 2021 konnte die Photovoltaikleistung in der KEM Energie3 verdoppelt werden. Wie gelang das?

Vor allem durch intensive Öffentlichkeitsarbeit, Vor-Ort-Beratungen, viel Information und unermüdliches Engagement. Allein für die Photovoltaik-Initiative in Höflein organisierte die KEM Enerige³ 50 individuelle Beratungen im ersten Halbjahr 2023. Mit dem Agri-PV-Projekt „Sonnenfeld“ und vielen weiteren größeren und kleineren Projekten konnten wir im Vorjahr die installierte PV-Leistung nochmals deutlich erhöhen.

Das Sonnenfeld mit 3 MWp verfügt über nachführbare PV-Module und Blühstreifen. Wie bewährt es sich – beim Energieertrag, bei der Ernte und der Biodiversität?

Nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit konnten wir die Anlage im November 2022 auf fünf Hektar Ackerland in Betrieb nehmen – gemeinsam mit EWS und wissenschaftlicher Beratung durch die BOKU. Die Module werden mit einem Trackersystem der Sonne nachgeführt und können ferngesteuert geschwenkt werden, sodass auch große moderne Landmaschinen leicht durchkommen. Durch die Nachführung können die Module 1.400 statt der in der Region üblichen 1.200 Sonnenstunden nutzen, das bringt zeitlich günstigen Mehrertrag in der Früh und am späten Nachmittag.

Das erste vollständige Forschungsjahr ist heuer, die Ergebnisse werden gerade ausgewertet. Rein optisch kann man zu 2023 sagen, dass die Kartoffeln im beschatteten Randbereich unter Umständen besser als in der Mitte wuchsen, der Winterweizen wuchs  gleichmäßig gut. Die Erntemengen und -qualität von Hirse, Soja, Mais, Sonnenblumen und Mohn werden derzeit untersucht.

Die Steher der Anlage wurden nicht betoniert, sondern nur in den Boden gerammt – damit verbraucht die PV nur zwei Prozent der Ackerfläche. Auf dem Feld besteht keine Bodenversiegelung, 80 Prozent des Ackers bleiben für die uneingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung bestehen. Die zwei Meter breiten Blühstreifen – insgesamt 18 Prozent der Fläche – bieten einen Rückzugsraum für viele Insektenarten. Wir haben heuer fünf verschiedene Saatgutmischungen für mehr Biodiversität am Feld getestet. Auch hier laufen die Auswertungen noch.

Neben der viel diskutierten Agri-PV gingen Sie auch das schwierige Thema Photovoltaik auf denkmalgeschützten Gebäuden an. Was kam dabei heraus?

Wir haben hier heuer gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt eine tolle Lösung für die historische Altstadt von Bruck gefunden. Entlang der Hauptachsen wird es straßenseitig keine PV-Anlagen geben. Hofseitig und in den Nebenstraßen werden sie in Zusammenarbeit mit einem Gestaltungsbeirat nach einer Prüfung grundsätzlich ermöglicht und sollen in „Full-Black“ ausgeführt werden.

Auch Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) sind in Ihrer KEM ein Thema. Wie sehen hier Ihre Pläne aus?

In Höflein wurde vor einem Jahr eine EEG gegründet, für die sich 120 der rund 400 Höfleiner Haushalte vorangemeldet haben. Anfang 2024 soll die EEG ans Netz gehen. In Bruck befindet sich gerade eine gemeindeeigene EEG gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr in Gründung. Auch die Pfarre überlegt, eine EEG zu gründen.

Werden diese EEGs auch über Windkraftanlagen verfügen?

Derzeit noch nicht, das hat unter anderem auch technische Gründe. Der Strom aus Windkraftanlagen wird auf einer höheren Netzebene eingespeist, während EEGs im Bereich der untersten Netzebenen 6 oder 7 arbeiten. Da gibt es noch einige Fragen zu klären.

Wie bekommt die KEM Energie3 Öl und Gas aus den Heizungskellern?

Wie in fast allen anderen KEMs ist das auch für uns ein wichtiges Thema. Wir haben dazu eine Vielzahl von Veranstaltungen und Vor-Ort-Beratungen durchgeführt. Im vergangenen Winter fand wieder unsere Thermografie-Aktion statt, bei der mit einer Wärmebildkamera ein Foto vom Gebäude gemacht wird, das zeigt, wo die Schwachstellen bei der Dämmung liegen.

Wir sind aber auch im Bereich Biomasse stark. In Göttlesbrunn entstand bereits 1989 das erste Biomasseheizwerk, in Arbesthal 1993 das zweite. Seit 1999 gibt es das „Naturnahwärmenetz“ in Bruck/Leitha, an das auch alle öffentlichen Gebäude angeschlossen sind. Unsere 2004 errichtete Biogasanlage in Bruck/Leitha wurde 2014 um eine Biomethanreinigung erweitert. Seither speist die Anlage etwa so viel Biomethan in das Gasleitungsnetz ein, wie alle Haushalte in Bruck/Leitha verbrauchen.

Ein wichtiges Anliegen ist Ihnen auch die Mobilität, besonders der Alltagsradverkehr. Welche Maßnahmen zu dessen Förderung konnten Sie umsetzen?

Das Radfahren ist wesentlich für die Dekarbonisierung im Verkehr. Wir haben daher in allen drei Gemeinden ein Radbasisnetz beschlossen. Die Radverkehrsinfrastruktur ist teilweise bereits sehr gut und soll weiter ausgebaut werden. Mit unseren Radrundfahrten in der Europäischen Mobilitätswoche leisten wir einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und bieten viele weitere Aktivitäten in dieser Woche an. Seit 2022 nehmen alle drei KEM-Gemeinden an der Europäischen Mobilitätswoche teil. Höhepunkt war sicher das Mobilitätsfest in Bruck/Leitha mit einem breiten Informations- und Serviceangebot. Hier konnten auch die zwei E-Lastenräder der Stadtgemeinde Bruck/Leitha ausprobiert werden. Die Stadt hat auch mehrere E-PKWs und E-Kleinlaster angeschafft.

* Die KEM Energie3 umfasst die Gemeinden Bruck an der Leitha, Göttlesbrunn-Arbesthal und Höflein.