Speck braten mit der Sonne

KEM-Manager im Portrait. In den vergangenen drei Jahren war Christian Wagner viel unterwegs, denn die Klima- und Energie-Modellregion (KEM) NÖ-Süd, die er managt, ist mit 33 Gemeinden und rund 77.000 EinwohnerInnen eine der größten. Besonders am Herzen liegt ihm die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie mit sozial Benachteiligten.

Bei Volksschulkindern ist die Sache noch recht einfach. Sie saugen das Wissen rund um Energie und Klimaschutz begierig auf – und transportieren es auch heim zu ihren Eltern. Bei 15-jährigen SchülerInnen im Polytechnikum findet sich ein Thema wie Energiesparen meist jedoch ganz unten auf der persönlichen Prioritätenliste. „Mit Vorträgen kann man sich bei diesen Jugendlichen brausen gehen“, schmunzelt  Christian Wagner. „Aber als es darum ging, einen Sonnenkollektor und ein Energiefahrrad samt Generator zu bauen, das eine Carrera-Rennbahn antreibt, war die ganze Klasse mit Begeisterung dabei.“

Zielgruppengerechte Projekte. Wagners Klimaschulen-Projekt im Schuljahr 2014/15 enthielt eine ganze Reihe von weiteren maßgeschneiderten Elementen für die jeweiligen Zielgruppen. Bei den Kleinen wurde viel geforscht und gebastelt. In den Neuen Mittelschulen drehten die Jugendlichen Videos, in denen sie ihr gesammeltes Wissen vermitteln – und wurden damit für den Klimaschutzpreis junior nominiert. Als wahrer Publikumsmagnet erwies sich jedoch das Klimamusical „Eisbär, Dr. Ping und die Freunde der Erde“, das die SchülerInnen der Neuen Mittelschule Gloggnitz aufführten. So fanden sich insgesamt 400 vorwiegend junge BesucherInnen zum großen Abschlussevent ein.

„Übungsfeld“ für Wagners Klimaschulenprojekt war sein Ferienspiel „Basteln und Experimentieren mit der Sonne“. Jeden August packt er Solarkocher, Wärmemessgerät und diverse Bastelutensilien ein, um Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Gemeinden die Kraft der Sonne begreiflich zu machen. Am Anfang steht ein Quiz, dann werden gemeinsam Sonnenfingerwärmer oder Windräder hergestellt. Und am Ende staunen alle inklusive der zum Abholen der Kinder gekommenen Eltern, wie schnell der Speck am Solarkocher brutzelt.

„Christian Wagner überrascht mich immer wieder mit seinen neuen und kreativen Zugängen, wie er versucht, Themen an die AkteurInnen in seiner Region heranzubringen. Gepaart mit seiner Beharrlichkeit entstehen so spannende Projekte abseits von ausgetretenen Pfaden“, meint Martin Hesik, KEM-Manager in der Nachbarregion „Wiener Neustadt – wn.energiefit“. Und Christoph Wolfsegger, Programm- und Researchmanager im Klima- und Energiefonds, ergänzt: „Besonders hervorzuheben ist auch Christian Wagners konsequente Öffentlichkeitsarbeit. Er holt die Menschen dort ab, wo sie sind – auch in den sozialen Medien.“

Vielseitige Erfahrungen. Zielgruppengerechte Interaktion war auch in Wagners früherem Berufsleben immer von großer Bedeutung. Nach Abschluss einer HTL für Umwelttechnik studierte er Wirtschaftsberatende Berufe an der Fachhochschule Wiener Neustadt, war bis zum Jahr 2000 als Sprecher der Grünalternativen Jugend politisch aktiv und arbeitete als Marketingmanager für einen internationalen Konzern. Ab 2008 baute er seine Firma auf, die sich bis heute als Musiklabel, Veranstalter und Musikvermittler der heimischen Klangwelt – und vor allem der österreichischen Dialektmusik – widmet.

Apropos Genuss. Den empfindet er auch bei seiner Klimaschutzarbeit. „Als KEM-Manager kann ich nun weit mehr bewirken als in der Politik“, bereut Wagner keineswegs, heute nicht im Landtag oder Parlament, sondern in seinem KEM-Büro in Neunkirchen zu arbeiten. Die meiste Zeit ist er allerdings unterwegs, zum Beispiel zu Vorträgen im Rahmen von Gemeindeveranstaltungen, Umweltmessen oder Energiestammtischen. Er stellte zahlreiche E-Mobilität-Testaktionen auf die Beine, beriet UnternehmerInnen in Sachen Photovoltaik-Eigenverbrauch, organisierte Radwandertage und Klimaschutz-Kabarettabende. Und wohl genauso wichtig waren die informellen Gespräche, die Wagner am Rande all der Veranstaltungen mit BürgermeisterInnen, UmweltstadträtInnen, Medienleuten und engagierten BürgerInnen führte.

„Viele KEMs sind schon weiter bei der Umsetzung der Energiewende, doch auch in unserer Region wächst das Bewusstsein, und die daraus abgeleiteten Maßnahmen werden mehr“, resümiert Wagner. So haben die Gemeinden Markt Piesting, Pernitz und Waldegg  ein gemeinsames E-Carsharing-Projekt gestartet. Auf der Kläranlage des Abfallwirtschaftsverbandes Mittleres Schwarzatal produziert eine Photovoltaikanlage Strom mit einer Spitzenleistung von 180 Kilowattpeak. Und der Gemeindewasserleitungsverband Ternitz und Umgebung hat seine alten Pumpen durch neue, effizientere ersetzt und will diese nun ebenfalls mit Sonnenstrom betreiben.

Armut und Energie. Bei seinen Klimaschutzprojekten ist Wagner immer auch die soziale Komponente wichtig. So organisierte er gemeinsam mit der Energieberatung NÖ eine kostenlose Beratung für einkommensschwache Haushalte inklusive kostenlosem Energiesparpaket mit LEDs, Thermometern und anderen Produkten zum Energiesparen. „Leider werden bei vielen Maßnahmen zum Klimaschutz sozial schwache Haushalte übersehen“, meint Wagner. „Natürlich haben viele dieser Menschen ganz andere Sorgen als den Klimaschutz. Sehr oft sind aber gerade sie von besonders hohen Energiekosten betroffen, zum Beispiel weil sie in unsanierten Wohnungen mit undichten Fenstern leben.“

Auch Menschen mit Migrationshintergrund für angewandten Klimaschutz zu begeistern, ist keine einfache Aufgabe. Doch im November gelang es Wagner, einen Kulturverein von ZuwandererInnen – die „Europäische Gemeinschaft der dritten Generation“ – als Verbündeten zu gewinnen. Der Workshop „Energiesparen ohne Investitionen“ im Neunkirchner Vereinslokal erwies sich als voller Erfolg und wird eine Fortsetzung finden.

Weitere Informationen:
KEM NÖ-Süd