Jetzt aber: Der Seewinkel ist KEM

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KEM-Manager im Porträt. UNESCO-Welterbe, Natura 2000- und Ramsar-Gebiet sowie Nationalpark – der Seewinkel ist eines der kostbarsten Naturjuwele Österreichs, doch erst seit Februar diesen Jahres Klima- und Energie-Modellregion (KEM). Umso energischer geht KEM-Manager Robert Schitzhofer seine Arbeit in Sachen Bewusstseinsbildung an. Ein Nationalpark und der Einsatz fossiler Brennstoffe, das passe nicht zusammen, meint er, Sonnenenergie und Elektromobilität könnten die regionale Wertschöpfung stärken – und das käme auch bei den ÖkotouristInnen gut an.

Lange Zeit war der Seewinkel ein Randgebiet, eingeklemmt zwischen Eisernem Vorhang und Neusiedlersee, wirtschaftlich schwach, aber reich an einzigartiger Natur- und Kulturlandschaft. Hier findet man Löffelreiher, Stelzenläufer, Graugänse, Brachvögel, Großtrappen, Regenpfeifer – und immer mehr TouristInnen aus aller Welt, die sich an dem munteren Treiben in den Salzlacken und auf den Weiden rundherum erfreuen. Und nicht nur daran: Auch Orchideen-LiebhaberInnen kommen auf ihre Kosten – und sowohl der Wein als auch das Gemüse der Region sind für ihre hohe Qualität bekannt. Die Mangalitza-Schweine dürfen ins Freie und die ebenso schmackhaften Grauen Steppenrinder fungieren als Erhalter der überaus artenreichen Kultur- und Naturlandschaft.

KEM quasi Pflicht. Die Region sollte sich zusammenschließen, man müsste die Erzeugerbetriebe und die KonsumentInnen wieder In Kontakt zueinander bringen, die regionale Wertschöpfung erhöhen und die Energiewende in Gang bringen, dachte Robert Schitzhofer, als er 2014 gemeinsam mit KEM-Managerin Sabine Watzlik den Masterlehrgang „Energie Autarkie Engineering und Management“ an der Donau-Universität Krems besuchte. Und eine Klima- und Energie-Modellregion wäre wohl der optimale Rahmen dafür. Obwohl die Klimafonds-Ausschreibung 2014 keine KEM-Neueinreichungen vorsah, begann der Eisenstädter gemeinsam mit Andreas Schneemann, KEM-Manager der Thermenregion Stegersbach, ein entsprechendes Konzept für die KEM „Neusiedler See - Seewinkel“ zu entwickeln und die Bürgermeister dafür zu begeistern. In 12* der ursprünglich 14 geplanten Gemeinden gelang ihm das auch.

„Im ersten Jahr wird es neben der Erstellung des Umsetzungskonzepts vor allem einmal darum gehen, die KEM bekannt zu machen und das Bewusstsein der Bevölkerung zu schärfen“, sagt Schitzhofer. Schon im Herbst startet ein Klimaschulenprojekt mit der Akademie der Wirtschaft Neusiedl am See, der Sportmittelschule Frauenkirchen und der Volksschule St. Andrä am Zicksee. 129 Kinder und Jugendliche werden den Energieverbrauch ihrer Schule und das Mobilitätsverhalten ihrer Umgebung erkunden – Themen, die Schitzhofer auch den Erwachsenen in einer Reihe von Veranstaltungen näherbringen möchte.

Schwerpunkt Sonnenenergie. Ein großes Potenzial sieht Schitzhofer in der Photovoltaik, aber auch in der Solarthermie. In Sachen LED-Straßenbeleuchtung sind einige Gemeinden bereits aktiv geworden, andere gilt es nun zu motivieren, es ihren Nachbarn gleichzutun. „Auch die Elektromobilität würde gut zu einem Nationalpark passen“, meint der KEM-Manager. „Diese ließe sich weitgehend durch Photovoltaik abdecken, und mit öffentlicher Ladeinfrastruktur könnten wir die Menschen dorthin lenken, wo wir sie haben wollen: in die Ortskerne, zu Unternehmen, die regionale Produkte anbieten oder auch zum Nationalparkzentrum.“

Im Nationalparkzentrum am Ortsrand von Illmitz hat Schitzhofer einen wichtigen Verbündeten, der in seiner Nationalparkzeitung „Geschnatter“ auch mediale Schützenhilfe leistet. Schließlich dienen Energieeffizienz, erneuerbare Energien und nachhaltige Mobilität dem Naturschutz. „Rückenwind erhalte ich auch durch den burgenländischen Landesentwicklungsplan, der die Erarbeitung regionaler und kommunaler Energiekonzepte vorsieht, und von vielen KommunalpolitikerInnen, deren Bewusstsein durch die jahrzehntelange Arbeit des Nationalparkteams geschärft wurde“, erklärt Schitzhofer. Auch die Landwirtschaft und den Tourismus möchte der KEM-Manager mit ins Boot holen. Denn zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe mussten in den vergangenen Jahren aufgeben.

Ökonomie und Ökologie zusammenführen. „Es wird ganz wichtig sein, die Bevölkerung auf die regionalen kulinarischen Köstlichkeiten aufmerksam zu machen. Wer Paradeiser, Gurken, Paprika, Chili, Wein, Fleisch und viele andere Produkte aus dem Seewinkel kauft, stärkt damit einerseits die Region statt internationale Handelsketten und trägt andererseits durch die Vermeidung von Transportwegen auch zum Klimaschutz bei“, beschreibt Schitzhofer sein Konzept, das die Wirtschaft des Seewinkels stärken und damit gleichzeitig das Klima schützen soll. Denn jedes nicht importierte Nahrungsmittel spart Treibhausgasemissionen ein – und erst recht jeder Seewinkler und jede Seewinklerin, die nicht mehr nach Wien zur Arbeit pendeln muss.

Robert Schitzhofer hat viel vor, will aber das Rad nicht neu erfinden, sondern bereits bewährte KEM-Projekte auch im Seewinkel umsetzen. Dazu gehören unter anderem  Bürgerbeteiligungskraftwerke und ein E-Mobilitätstag – voraussichtlich anlässlich der Abschlussveranstaltung des Klimaschulenprojekts im Juni 2017. Etwas schwieriger gestaltet sich das Thema Biomasse. Denn Wald gibt es hier nicht viel. Aber der Strauchschnitt der Gemeinden, landwirtschaftliche Reststoffe, Schilf und allenfalls Energiewaldpflanzungen auf stillgelegten landwirtschaftlichen Flächen könnten künftig als regionale Wärmelieferanten dienen.

Erfahrung zählt. „Robert Schitzhofer verfügt über umfangreiches Wissen und viel Erfahrung“, attestiert Sabine Watzlik ihrem neuem KEM-Manager-Kollegen. „Er hinterfragt die Dinge, kann gut mit Menschen umgehen und seine Ideen und Projekte überzeugend darstellen.“ Nach seinem Forstwirtschaftsstudium an der Universität für Bodenkultur in Wien war Schitzhofer für einen großen burgenländischen Forstbetrieb tätig, danach für verschiedene Telekommunikationsunternehmen als Dienstleister.

Ab 2009 – mit einem Zertifikat von arsenal research als Photovoltaiktechniker bzw. -planer in der Tasche – widmete er sich voll und ganz der Energiewende. Er setzte gemeinsam mit Partnern Photovoltaikprojekte in Bulgarien, Rumänien und Afrika um. An der Donau-Uni Krems holte er sich bei Professor Hermann Knoflacher fundiertes Know-how in Sachen Mobilität – und als Inhaber der oecotec Energie- und Umweltconsulting GmbH bietet er all sein gesammeltes Wissen Unternehmen und Kommunen an.

Zweirad-Fan. Persönlich schätzt der KEM-Manager drei Bewegungsformen besonders: die mit seinem Hund, die mit dem Fahrrad und die mit dem Motorrad. Schitzhofer: „Ich fahre leidenschaftlich gerne Touren und bedauere es sehr, dass es noch kein für mich passendes Elektromotorrad auf dem Markt gibt und in Südeuropa die Ladeinfrastruktur fehlt.“ Doch an die wirklich spannenden Orte im Seewinkel, wo man mit offenen Augen und einem Fernglas seine ganz persönliche „Universum“-Sendung live erleben kann, gelangt man ohnedies nur per pedes, mit dem Fahrrad oder Boot.

*Andau, Apetlon, Frauenkirchen, Halbturn, Illmitz, Neusiedl am See, Pamhagen, Podersdorf am See, St. Andrä am Zicksee, Tadten, Wallern, Weiden am See