KEM-Manager des Jahres. Nach der Wahl von Margit Krobath im Jahr 2024 bleibt der Titel KEM-Manager des Jahres auch heuer in der Steiermark. Am 21. Mai erhielt Christian Hütter, KEM-Manager der Energieregion Weiz-Gleisdorf, bei der KEM-Hauptveranstaltung in Schwaz die meisten Stimmen von den österreichischen KEM-Manager:innen.
Christian Hütter studierte Betriebswirtschaftslehre und Umweltsystemwissenschaften. Seit 2014 leitet er Projekte in der Energieregion Weiz-Gleisdorf. 2017 wurde er ebendort KLAR!-Manager, ein Jahr später auch KEM-Manager. In den vergangenen Jahren setzte er gemeinsam mit seinen Gemeinden, (über-)regionalen Partner:innen und Forschungseinrichtungen eine Vielzahl an Projekten um. Darunter fallen auch wegweisende Leitprojekte, deren Erkenntnisse und Ergebnisse auch anderen Klima- und Energie-Modellregionen zugutekommen. Hütter legt bei der Umsetzung dieser Projekte einen besonderen Fokus auf den KEM-übergreifenden Aspekt, um Synergien zu schaffen und den Wissenstransfer zu fördern.
Trotz aller Herausforderungen, die die Arbeit an der Energiewende mit sich bringt, verliert Hütter nie seinen Humor, den er auch anlässlich der Überreichung der Auszeichnung durch Klima- und Energiefonds-Geschäftsführer Bernd Vogl unter Beweis stellte.
Die Region Weiz-Gleisdorf gilt schon seit Jahrzehnten als Vorreiterregion für Solarenergie und Energieeffizienz. Hilft Ihnen das bei der Arbeit?
Selbstverständlich! Ich bin sehr froh, dass ich in dieser Region arbeiten kann. Es ist nicht immer alles eine „gmahde Wiesn“, aber es herrscht eine äußerst positive Grundstimmung und die Themen der Energie- und Mobilitätswende werden nicht nur diskutiert, sondern auch gelebt. Das lässt sich auch mit den aufgebauten Strukturen, den zahlreichen Projekten und den investierten Mitteln belegen. Wenn wir Projekte angehen, dann machen wir das nicht irgendwie, sondern möchten damit Maßstäbe setzen.
Über viele Jahre haben wir uns eine Regionalentwicklungszentrale im geografischen Herzen der Region mit einem tollen Team aufgebaut. Hier sind KEM, KLAR! und LEADER gemeinsam untergebracht, was schon zu zahlreichen Synergieeffekten geführt hat. Als KEM alleine hätte ich beispielsweise niemals die Datenerhebung für unsere Energiebilanz finanzieren können. Dank der Kooperation mit LEADER verfügen wir nun über detaillierte Daten, zum Beispiel zu den über 26.000 Heizanlagen in unserer Region.
Demnächst werden Sie das Leitprojekt „Freiflächen-Photovoltaik – Schlüssel zur Stromwende?!“ abschließen, das Gemeinden einen Leitfaden an die Hand gibt, wo und wie Freiflächen-PV-Anlagen entstehen sollen. Wie groß ist das Interesse an derartigen Anlagen in Ihrer KEM?
Interessent:innen gibt es viele. Als die Strompreise in die Höhe schossen, haben wir uns im Akkord Anlagenkonzepte angehört. Nun ist das Interesse wieder etwas abgeflaut, aber es kommen immer noch Anfragen herein. Wir sind gerade dabei, entsprechende Zonen und Qualitätsmerkmale festzulegen. Denn wir möchten, dass von derartigen Projekten nicht nur Grundeigentümer:innen und Betreiber:innen, sondern auch die Gemeinden und die Bevölkerung profitieren. Wir wollen einen Mehrwert für die gesamte Region schaffen und sind einer spannenden Lösung nahe, die sicher auch für andere KEMs interessant ist.
Das gemeinsame Leitprojekt mit AEE INTEC, „Fossil Phase Out“, ist nun abgeschlossen. Ist die „solare Biowärme“ in Gleisdorf nun frei von fossiler Energie?
Wir haben im Rahmen des Projekts einen Leitfaden für den Nah- und Fernwärmeausbau erstellt und die Vorgehensweise mit den Stadtwerken Gleisdorf exemplarisch umgesetzt. Ja, in Gleisdorf gibt es nur mehr fossile Ausfallkessel als Notversorgung, im Regelbetrieb stammt die Wärme aus Biomasse, Solarwärme und einer Wärmepumpe, die dem Abwasser Energie entzieht. Auch abseits des Projekts tut sich einiges in der regionalen Fernwärme. In Weiz wird zum Beispiel wird als Back-up Altspeiseöl für die Wärmeerzeugung eingesetzt. Um das zu unterstützen, gibt es jetzt bei uns fünfmal die Woche Wiener Schnitzel (lacht).
Schon vor vielen Jahren verschafften Sie Ihren KEM-Gemeinden die Möglichkeit, Elektrofahrzeuge für deren Fuhrpark zu testen. Wie erfolgreich läuft die Dekarbonisierung bei den Gemeindefahrzeugen?
Wir haben die Fuhrparks aller Gemeinden umfassend analysiert. Dabei ermittelten wir den aktuellen Verbrauch, die Einsatzarten und -zeiten, die Kosten sowie den CO2-Ausstoß über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge und viele weitere relevante Daten. All diese Informationen sind in E-Mobilitäts-Aktionspläne für die jeweiligen Gemeinden eingeflossen. Bei Pkws sind immer mehr E-Autos im Einsatz, einige Gemeinden stellen ihren Mitarbeiter:innen auch E-Diensträder zur Verfügung. Einige kleine Nutzfahrzeuge (bis 3,5 Tonnen) sind teilweise schon seit einigen Jahren im Einsatz, eine Gemeinde ist gerade dabei, einen elektrischen Radlader anzuschaffen.
In Weiz und Gleisdorf haben wir kürzlich die Anschaffung von vier Elektrofahrzeugen für Essen auf Rädern unterstützt. Aktuell begleiten wir drei Gemeinden beim Kauf von E-Kleinbussen mit Platz für neun Personen. Bislang war es aber sehr schwierig, an größere elektrische Nutzfahrzeuge für Testfahrten zu gelangen. Dank einer Kooperation mit einem regionalen Autohaus und der Österreich-Niederlassung eines internationalen Fahrzeugherstellers können wir es unseren KEM-Gemeinden ab Juni nun erstmals auch ermöglichen, Pritschen- und größere Kastenwägen kostenlos im Alltagsbetrieb zu testen. Dabei haben wir das Projekt so aufgesetzt, dass im Laufe des Jahres auch andere steirische KEMs und Gemeinden diese Möglichkeit erhalten werden.
Als wie nachhaltig würden Sie die Mobilität in der KEM einschätzen?
Die Mobilität ist in einer Region wie unserer immer ein heiß diskutiertes Thema. Es freut mich, dass man immer mehr E-Autos sieht, aber auch bei der Ladeinfrastruktur sind wir bestens aufgestellt. Ladestationen mit 11 bis 22 kW findet man inzwischen fast überall, nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch bei Gastronomiebetrieben und anderen Unternehmen. In Gleisdorf konnten wir kürzlich die erste Schnellladestation einer Gemeinde in Betrieb nehmen. Das Besondere daran: Sie verfügt über einen integrierten Speicher, mit dem wir die Ladeleistung erhöhen und gleichzeitig Lastspitzen abfangen können.
Bei den Themen öffentlicher Verkehr und Radverkehr sind unsere Gemeinden sehr aktiv. Weiz finanziert einen Nulltarif für die Bahn, alle fünf Stationen im Stadtgebiet können kostenlos angefahren werden. Es gibt ein E-Carsharing und man kann sich an 16 Stationen ein Rad oder E-Bike kostenlos ausborgen. Auch ein Lasten-E-Bike kann gratis genutzt werden. In die Radverkehrsinfrastruktur wurde im Rahmen kleinregionaler Radverkehrskonzepte schon viel investiert. Beim Lückenschluss zwischen den Gemeinden gibt es aber noch Handlungsbedarf. Auch in Gleisdorf tut sich einiges. Die Stadt hat kürzlich die zwei Autospuren des Einbahnrings zusammengeführt und so mehr Platz für Geh- und Radwege geschaffen. Auch gibt es in der Gemeinde ein E-Carsharing.
Apropos E-Carsharing: In einem Kooperationsprojekt von KEM und LEADER stellen wir aktuell ein gesamtregionales E-Carsharing-System auf die Beine. Dabei führen wir bestehende Angebote zusammen und weiten diese auf andere Gemeinden aus.
In Albersdorf-Prebuch soll ein Re-Use-Zentrum entstehen, was darf man sich darunter vorstellen?
In der Gemeinde befindet sich ein Altstoff-Sammelzentrum mit regionaler Bedeutung. Nun steht eine Erneuerung an. Die KEM hat daher ein Re-Use-Konzept erstellt, das alle organisatorischen, rechtlichen und normativen Vorgaben berücksichtigt. Geplant ist dabei auch ein Re-Use-Shop, der noch brauchbaren Geräten und Gegenständen ein „Weiterleben“ ermöglicht.
Und eine neuen PV-Anlage wird es auch geben?
Ja, das ASZ hat ein riesiges Hallendach. Das würde mir im Herzen wehtun, wenn wir das nicht für Photovoltaik nutzen, wobei der erzeugte Strom idealerweise in eine Energiegemeinschaft eingebracht wird.
Apropos Energiegemeinschaft, wie ist hier der aktuelle Stand?
Wir haben als KEM mit Hofstätten und Mitterdorf an der Raab Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften gegründet und zwei KEM-übergreifende EEGs mitgegründet. Wir beraten die Gemeinden individuell und konkret, welche Lösungen für sie am besten geeignet sind. Inzwischen nehmen alle 12 Gemeinden der KEM Weiz-Gleisdorf an einer oder mehreren Energiegemeinschaft teil beziehungsweise stehen kurz davor.
Im Rahmen eines Projekts der KLAR! Weiz-Gleisdorf wurde der Stadtkern von Weiz mit einer Drohne beflogen, um Hitzeinseln aufzuspüren und zu dokumentieren. Welche Maßnahmen wurden daraus abgeleitet?
Beim Thema Überhitzung wird meist mit Modellen und Berechnungen gearbeitet. Die Drohne aber lieferte uns Echtzeitdaten, die in ein 3D-Stadtmodell einflossen. Dieses zeigt nun, wo und warum im Sommer Hitzeinseln entstehen und verweist auf mögliche Gegenmaßnahmen. In der Folge gestaltete die Stadt den Bereich vor dem Rathaus um und eine große Fläche bei einer Bahnhaltestelle wurde bereits entsiegelt und begrünt. Nun entschloss sich die Stadt auch zu einer Baumsanierung von 12 über 100-jährige Linden, damit sie noch viele Jahre Schatten spenden und die Stadt kühlen.
Welche Projekte planen Sie für die nähere Zukunft?
Wir veranstalten regelmäßig KEM-Fachtage für die Bürgermeister:innen und Gemeindemitarbeiter:innen. Darin bringen wir gemeinsam mit externen Expert:innen den Entscheidungsträger:innen Informationen zu ausgewählten Schwerpunktthemen näher. In Kürze werden wir die Gemeinden auf die neue europäische Energieeffizienzrichtlinie (EED III) vorbereiten. Diese sieht eine Sanierungspflicht für Kommunen vor und schreibt einen jährlichen Prozentsatz an Umsetzungen vor. Dabei möchten wir maßgeblich mit Daten und Konzepten unterstützen und auch Möglichkeiten zur Finanzierung suchen. Unser Ziel ist, dass nicht nur klassische Sanierungen vorgenommen werden, sondern solche, die sich an hohen Standards orientieren.
Auch sind schon einige weitere Projekte in Vorbereitung, bei denen wir auf grünes Licht des Klima- und Energiefonds hoffen. Dabei geht es um die Effizienzsteigerung der Energiebuchhaltung, attraktive Schulwege und ein neues Beratungsangebot gegen Energiearmut.
In gewisser Weise ist Ihre KEM ja ein Familienbetrieb. Ihre Frau, Nicole Hütter, arbeitet sowohl bei KEM und KLAR! als auch bei LEADER mit und leitet auch diverse Projekte. Erleichtert oder erschwert das die Zusammenarbeit?
Das ist das Schönste, was es für mich gibt. Ich kann mich auf Nicole zu mehr als 100 Prozent verlassen. Natürlich nehmen wir den Beruf oft ins Privatleben mit, aber das ist selten unangenehm. Im Gegenteil, oft kommen uns die besten Ideen beim gemeinsamen Abendessen. Wichtig ist uns aber, dass wir nach außen nicht wie ein verliebtes Pärchen auftreten, sondern professionell wie gute Kolleg:innen.
Was würden Sie jungen beziehungsweise neu eingestiegenen KEM-Manager:innen empfehlen?
Die KEM-Arbeit ist nicht immer einfach, wir sind so eine Art „Wunderwuzzis“. Aber es ist wichtig, an den Themen dranzubleiben und nicht aufzugeben. Denn es gehört zu den wunderbarsten Erlebnissen, wenn sich die Dinge verbessern und die Menschen von den umgesetzten Maßnahmen profitieren können. Und wenn man einmal denkt, dass nichts weitergeht, helfen die „alten Hasen und Häsinnen“ gerne weiter.
Vielen Dank für das Gespräch und herzliche Gratulation!
Modellregion:
KEM Weiz-Gleisdorf