Immer unter Strom

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KEM-Projekt des Jahres. Fünf beachtenswerte Projekte aus Klima- und Energie-Modellregionen standen zur Wahl. Letztlich entschieden die KEM-Manager:innen, dass Matthias Zawichowski, der KEM-Manager des Jahres 2022, nun auch die Auszeichnung für das KEM-Projekt des Jahres 2025 erhält. In seinen Projekten geht es um die Nutzung von E-Autos als mobile Stromspeicher und -versorger.

 

Matthias Zawichowski ist Raum- und Mobilitätsplaner, betreibt seit 2002 sein Technisches Büro im-plan-tat in Krems und Tulln und ist seit 2012 Manager der KEM Elsbeere Wienerwald. In- und außerhalb der KEM hat er zahlreiche Projekte umgesetzt oder begleitet: Er gründete den Verein fahrvergnügen.at und den Dachverband Carsharing Österreich, für den er den VCÖ-Mobilitätspreis erhielt. Er treibt zahlreiche Energiegemeinschaften voran und versuchte, der Burg Neulengbach neues Leben einzuhauchen. Er wirkte bei den Vorbereitungen für einen umsichtigen Planungs- und Bürgerbeteiligungsprozess mit, der in die viel beachtete Umgestaltung des Nibelungenplatzes in Tulln mündete – und setzte im Vorjahr mit einem niederösterreichischen Beerenobst-Produzenten eine semitransparente Agri-PV-Anlage um.

2022 wurde Zawichowski zum KEM-Manager des Jahres gewählt. Bei der Hauptveranstaltung der Klima- und Energie-Modellregionen vom 21. bis 22. Mai in Schwaz wurde sein Engagement für das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen nun mit der Auszeichnung für das KEM-Projekt des Jahres belohnt. Aktuell ist er unter anderem in den Forschungsprojekten Car2Flex, cleanBEVsharing, V2G2 Network und Storebility2Market aktiv.

Bernd Vogl, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, überreichte die hölzerne Trophäe mit den vielen Kabeln persönlich und gratuliert herzlich: „Menschen für erneuerbare Energielösungen und den Klimaschutz zu begeistern, heißt, sie für die Zukunft zu begeistern. Der Ausbau von Speichern hat dabei derzeit Priorität, und auch das Potenzial von Elektroautos zu nutzen, ist ein wichtiges Zukunftsthema. Vor Ort treiben unsere KEM-Manager und Managerinnen Projekte engagiert voran, vernetzen Akteure und führen sie zum Erfolg.“

Seit der Wiederentdeckung der Elektromobilität in den 1990er-Jahren wurde das bidirektionale Laden als Vorteil der Elektromobilität propagiert, wird aber bis heute nur in wenigen Ausnahmefällen praktiziert. Warum?

Matthias Zawichowski: Technisch funktioniert bidirektionales Laden schon heute. Aber wir müssen das Thema schrittweise angehen. Im ersten Schritt sollte es um die Nutzung der E-Auto-Batterie im eigenen Bereich gehen, also um Vehicle to Home. Das E-Auto könnte im Haushalt, aber auch in gemeindeeigenen Gebäuden oder Unternehmen für die nächtliche Stromversorgung sorgen.

Um die Autobatterie umfassender einzubinden, braucht die Ladestation eine TOR-Zertifizierung, sprich sie muss die Sicherheitsanforderungen der Netzbetreiber erfüllen und beispielsweise bei einer Störung im Netz sicherstellen, dass kein Strom eingespeist wird. In unseren Projekten arbeiten wir mit befristeten Netzzulassungen. Das langfristige Ziel wäre ein netzdienlicher Schwarmspeicher, was dem zweiten Schritt, Vehicle to Grid, entspricht.

Daheim funktioniert das bidirektionale Laden nur, wenn man über das richtige E-Auto und eine spezielle Ladestation verfügt, oder?

Ja. Während unserer Arbeit in den Projekten Car2Flex und Storebility2Market hat sich Europa nun weitgehend vom japanischen ChadeMo-Stecker verabschiedet und setzt nun auf den europäischen Stecker CCS. ChadeMo bietet schon lange die Voraussetzungen für das bidirektionale Laden, da der japanische Staat nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima E-Autobatterien als Notfallstromreserve für künftige Kraftwerksausfälle erkannte und bei künftigen Kraftwerksausfällen nutzen möchte.

Wir konnten mehrere Anbieter von Ladelösungen ausfindig machen und haben ihre Ladelösungen teilweise im Testeinsatz. Der Großteil von ihnen lädt und entlädt die Fahrzeugbatterie mit Gleichstrom und wandelt diesen mit einem Wechselrichter in der Ladestation um. In den Niederlanden arbeitet ein Unternehmen mit Wechselstrom, wobei der Wechselrichter dann im Fahrzeug mitverbaut sein muss. Der Trend geht eher zum Gleichstrom.

Die Reichweitenangst ist scheinbar auch mit der größten Batterie nicht wegzubekommen. Wie kann man da Menschen überzeugen, in der Früh mit einer halbvollen Batterie loszufahren?

Mit wirtschaftlichen Argumenten. In unseren Projekten sehen wir, dass die privaten E-Autonutzer:innen etwa 30 bis 70 Kilometer pro Tag fahren. Das beansprucht rund ein Fünftel der Batteriekapazität. Ob man in der Früh mit voller Reichweite oder nur mit 150 Kilometern wegfährt, spielt da keine Rolle. Mit der nicht fürs Fahren benötigten Batteriekapazität kann man den nächtlichen Strombedarf decken, was Netzkosten einspart und im Falle einer eigenen PV-Anlage auch Stromkosten. Dann ist der Netzanschluss plötzlich nur mehr eine Notlösung. Wir haben beispielsweise mit einem E-Auto die Wärmepumpe einer Wohnhausanlage mit zwölf Wohnungen mit Strom versorgt.

Stromspeicher, egal ob stationär oder mobil, können Lastspitzen im Netz abflachen und in Schwachlastzeiten Strom liefern – also netzfreundlich eingesetzt werden. Wie reagieren die österreichischen Netzbetreiber auf Ihre Aktivitäten?

Derzeit noch eher vorsichtig. Die Netzbetreiber:innen befinden sich in einem eklatantem Umbruch durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze, aber auch durch die wachsende Zahl an Energiegemeinschaften. Meines Erachtens wäre das alles nicht so schlimm mit Vehicle to Grid. Ob stationärer oder mobiler Speicher macht letztlich kaum einen Unterschied. Und in den Projekten sahen wir, dass im Betrieb gar nicht so viel Strom zwischen den Speichern und dem Stromnetz floss. Aber die Netzbetreiber sind Teil unserer Projektkonsortien.

Was können Pioniergemeinden, -firmen oder -haushalte jetzt schon tun, um mit Fahrzeugen Sonnenstrom für die Nacht zu speichern?

Wir müssen uns alle neue Denkmuster aneignen, denn mit der E-Mobilität stehen uns große und bald enorme Speichermengen zur Verfügung. Allein beim Bauhof Neulengbach sind acht Elektrofahrzeuge im Einsatz, die nicht nur den Nachtstrombedarf des Areals decken könnten, sondern auch den der Nachbarschaft oder der Straßenbeleuchtung. Wenn diese Fahrzeuge am Freitag Abend möglichst mit leerer Batterie abgestellt und übers Wochenende mit der eigenen PV-Anlage geladen werden, statt den PV-Strom zu schlechten Konditionen ins Netz einzuspeisen, spart die Gemeinde Strom- und Netzkosten. Und niemand muss Angst haben, dass die Batterien am Montag in der Früh leer sind. Auch Carsharing-Autos oder elektrische Linienbusse, die am Wochenende nicht unterwegs sind, kommen für ein intelligentes bidirektionales Be- und Entladen in Frage.

Durch Storebility2Market haben wir einen guten Marktüberblick erhalten, den wir künftig gerne mit interessierten Personen und KEM-Regionen teilen. Mit schlüsselfertigen Ladelösungen wird es in ein, zwei Jahren so richtig losgehen.

Das E-Carsharing hat es derzeit nicht leicht. Woran liegt das und wodurch könnte es wieder attraktiver für Nutzer:innen und Betreiber:innen werden?

Es gibt in Österreich verschiedene Geschäftsmodelle. Mit reinem Verleihen ist allerdings keine Kostendeckung zu erzielen. Die Betreiber:innen setzen daher auf zusätzliche Marktsegmente und eine Mehrfachnutzung der Fahrzeuge. Einige führen als konzessioniertes Taxiunternehmen Krankentransporte durch. Manche E-Autos sind bei Gemeinden, als Anrufsammeltaxis oder im Rahmen touristischer Angebote zusätzlich im Einsatz. Die Batterienutzung wäre ein mögliches neues Angebot.

Zahlreiche Verkehrsexpert:innen warnen, dass das simple Ersetzen von Benzin- und Dieselfahrzeugen durch elektrische zu kurz gedacht ist. Direkte Emissionen fallen weg, der Lärm wird reduziert, doch am enormen Einsatz von Energie, Ressourcen und Platz sowie bei der Verkehrssicherheit ändert sich durch den E-Antrieb nichts. Welche Rolle soll die E-Mobilität im Rahmen der Mobilitätswende Ihrer Meinung nach einnehmen?

Die E-Mobilität ist für mich vor allem eine Lösung für die letzte Meile. Während wir telefonieren, sitze ich in der Bahn. Ich fahre gerade zur Generalversammlung von Carsharing Österreich, bei der wir eine Kooperation mit dem ÖAMTC eingehen. Seine Mitglieder werden eingeladen, mit der Bahn zu verreisen und am Urlaubsort mit Ihrer Clubkarte ein lokales E-Carsharing-Auto zu nutzen. Auch Geschäftsreisende können dieses Angebot ab Sommer 2025 nutzen. Diese großartige Kooperation ist das Ergebnis eines Leitprojektes der KEM-Regionen.

In unserer KEM Elsbeere Wienerwald haben wir zwar die alte Westbahnstrecke, leider aber auch Gemeinden, in denen es lediglich zu Schulzeiten eine Linienbusverbindung gibt. Eine Erledigung in St. Pölten wird dort mit dem öffentlichen Verkehr zu einem Mehr-Stunden-Projekt. Hier wären mehr Bedarfsverkehre oder E-Carsharing wichtig.

Wir müssen auch unsere Radverkehrsinfrastruktur ausbauen, stehen da aber erst am Anfang. Aktuell arbeiten wir mit jungen Radmechaniker:innen an einem Konzept, ein Radservice bei Bahnhöfen anzubieten. Man gibt das Rad in der Früh beim Bahnhof ab, fährt mit der Bahn zur Arbeit und holt es am Abend repariert wieder ab.

Vielen Dank für das Gespräch und herzliche Gratulation!

Weitere Informationen:
Car2Flex
Storebility2Market