„Mit elektrischen SUVs wird die Mobilitätswende nicht funktionieren“

Hummelbrunner

Interview. Christian Hummelbrunner wurde Mitte Mai von seinen Kolleg:innen zum KEM-Manager des Jahres 2023 gewählt. Der Elektrotechniker und Mechatroniker aus Vorchdorf managt seit Jänner 2021 die Klima- und Energie-Modellregion (KEM) Traunsteinregion. Doch schon davor setzte er hier zahlreiche Projekte um – vor allem jene technischer Natur.

„Christian Hummelbrunner ist Ingenieur aus Leidenschaft und dreht an unzähligen Schrauben für den Klimaschutz in seiner Klima- und Energie-Modellregion. Er inspiriert, überzeugt und vernetzt für die Energie- und Mobilitätswende. Ich bedanke mich für sein großartiges Engagement und gratuliere ihm herzlich zur Wahl des KEM-Managers des Jahres“, so Bernd Vogl, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. Hummelbrunner ist nicht nur seit zehn Jahren in der KEM Traunsteinregion höchst aktiv, sondern half auch in benachbarten Klima- und Energie-Modellregionen aus (siehe hier).

Seit zehn Jahren arbeiten Sie in der KEM Traunsteinregion mit, seit zweieinhalb Jahren sind Sie dort KEM-Manager. Welches Ihrer Projekte würden Sie als das erfolgreichste bezeichnen?

Schwer zu sagen. Vielleicht das Lehrbuch „Energieräubern auf der Spur“, das 2018 zum KEM-Projekt des Jahres gewählt wurde? Wir arbeiten derzeit gerade an einem dritten Band, diesmal zum Thema Ernährung.

Vielleicht ist aber auch das Energiemonitoring mein erfolgreichstes Projekt, denn es ist ein Projekt auf mehreren Ebenen, das gewissermaßen als Gesundenuntersuchung für den Umgang mit Energie dient. Das Energiemonitoring belegt sowohl in Kilowattstunden als auch in Euro die Erfolge bereits gesetzter Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in gemeindeeigenen Gebäuden. Dieser Erfolgsnachweis wirkt auch als Projektgenerator, und es gibt weniger Diskussionsbedarf für Folgeprojekte.

Sie haben bereits in mehreren Freibädern die Energieeffizienz deutlich gesteigert. Was sind dabei die wichtigsten Maßnahmen?

Eigentlich ist das ganz einfach. Die Bäderhygieneverordnung sieht vor, dass außerhalb der Öffnungszeiten der Volumenstrom vom Badewasser zu den Filtern auf die Hälfte reduziert werden darf. Das hatten die meisten Betreiber:innen allerdings nicht im Fokus. Senkt man den Volumenstrom auf die Hälfte ab, wird die Pumpenleistung auf ein Viertel reduziert. Da in Schwimmbädern pro Stunde einige 100 Kubikmeter Wasser umgewälzt werden, rechnet sich diese Maßnahme sehr schnell. Zusätzlich können auch Solaranlagen zur Beheizung installiert werden. Generell tendiere ich eher zur Photovoltaik als zu thermischen Solaranlagen, unter anderem weil der Strom auch außerhalb der Badesaison genutzt werden kann.

Sie haben im Laudachtal eine der ersten Erneuerbaren Energiegemeinschaften (EEG) Österreichs gegründet. Wie ist hier der Status quo?

Wir wurden mit dem Nachhaltigkeitsverein Laudachtal als zweite EEG in Oberösterreich aktiv. Inzwischen betreue ich auch eine zweite regionale EEG in Vorchdorf und eine in Gmunden. Für die Energiegemeinschaft Traunstein findet demnächst die konstituierende Sitzung statt. Dieses Projekt ist insofern spannend, als hier gleich fünf Gemeinden beteiligt sind.

Es besteht enormes Interesse an den Energiegemeinschaften, allerdings sind seitens des Gesetzgebers noch nicht alle Fragen zu den finanziellen Aspekten der EEG beantwortet – und wir erhalten erst seit dem heurigen Februar brauchbare Daten für die Abrechnung. Ich halte mich daher derzeit an die Prämisse, dass alles erlaubt ist, was nicht explizit verboten wurde.

Wie haben sich die enorm gestiegenen Energiepreise auf die Traunsteinregion ausgewirkt? Rennen Ihnen die Gemeinden, Unternehmen und Privatpersonen nun die Türen ein, um Beratung und Unterstützung bei der Heizungsumrüstung und bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen zu erhalten?

Das Interesse ist schon enorm gestiegen. Ich könnte 24 Stunden durcharbeiten. Einige Gemeinden haben schon in den vergangenen Jahren kontinuierlich die Photovoltaik ausgebaut, andere weniger, und manche haben leider auch sehr ungünstige Stromlieferverträge. Vorchdorf liegt beim PV-Ausbau in absoluten Zahlen auf Platz 24 der besten Gemeinden Österreichs und in Oberösterreich auf Rang vier – hinter Wels, Linz, und Freistadt.

Ich habe hier nur wenige Projekte selbst umgesetzt, aber ich denke schon, dass ich durch meine jahrelange Öffentlichkeitsarbeit die Initialzündung für so manches Projekt geliefert habe. Ich habe einen guten Draht zur Presse in unserer Region und erhalte in den Gemeindezeitungen meistens eine ganze Seite für Klimaschutz-Themen.

 

2016 wurden die Gmundener Straßenbahn und die Traunsee-Bahn zur Traunseetram zusammengeschlossen. Wie sehr hat diese öffentliche Direktverbindung zwischen dem Bahnhof Gmunden und Vorchdorf das regionale Mobilitätsverhalten verändert?

Stern & Hafferl, der Betreiber, meldet steigende Fahrgastzahlen. Man kann auch beträchtliche Wohnbauaktivitäten im Umfeld der Haltestellen beobachten. Aber natürlich hat der öffentliche Verkehr in der Traunsteinregion noch einiges Potenzial nach oben. Das Projekt wurde ja massiv als zu teuer oder als Verschwendung kritisiert – im Gegensatz zur Straßenumfahrung für Gmunden. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Österreich sei das Autoland schlechthin, meinte Bundeskanzler Karl Nehammer Ende April. Ist das so, und kann das so bleiben, wenn Österreich seine Klimaziele erreichen möchte?

Was mir dazu einfällt, ist nicht druckreif. Wir stecken nun mitten in einem Technologiewandel zur E-Mobilität. Das ist wie seinerzeit bei der Digitalisierung der Fotografie, des Drucks und der TV-Geräte. Zum Thema E-Fuels kann ich daher nur empfehlen, einmal nach Nokia oder Kodak zu googeln. Diese gehörten einst zu den weltweit wertvollsten Firmen, haben aber nicht an die neue Technologie geglaubt, was sie teuer zu stehen kam. Wir haben einfach nicht genug erneuerbaren Strom, um E-Fuels für Verbrenner-PKWs herzustellen – für E-Autos reicht ein Bruchteil der Energiemenge.

Welche Strategien verfolgen Sie für die Mobilitätswende?

Die Mobilitätswende wird nicht mit elektrischen SUVs funktionieren, es dürfen auch kleinere Autos sein. Wir müssen vor allem aber auf den öffentlichen Verkehr, auf das Gehen und Radfahren setzen. E-Bikes sind nicht nur für alte Menschen eine tolle Sache. Man kommt damit unverschwitzt zu seinen Terminen. Doch die Förderung der aktiven Mobilität und der E-Mobilität ist sehr schwierig, da das Thema Verkehr so stark mit Emotionen behaftet ist.

Amsterdam ist so gebaut, dass das Radfahren funktioniert – unsere Gemeinden sind das nicht. Da haben wir noch dicke Bretter zu bohren. Immerhin haben wir mit My Esel einen innovativen E-Bike-Hersteller in Kirchham und in Vorchdorf ein Lasten-E-Bike zum Ausleihen. Die Stadt Gmunden arbeitet gemeinsam mit den Umlandgemeinden am Projekt „Radstern“, das die Stadt mit ihren Nachbargemeinden verbinden wird. In der nächsten Weiterführungsphase der KEM möchte ich einen Mobilitätsschwerpunkt setzen.

Sie sind im Freien Radio mit der Sendereihe „KEM ma zam“ aktiv. Am 19. Juni wird bereits die 74. Sendung ausgestrahlt. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Bewusstseinsbildung über den Äther gemacht?

Sehr gute. Sabine Pommer, die ehemalige KEM-Managerin der Region Vöckla-Ager, hat dieses Projekt ins Leben gerufen, ihre Nachfolgerin Sybille Chiari führt es nun weiter. Wir versuchen damit, die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit noch besser in den Ganglien der Bevölkerung zu verankern. Wie viele Menschen uns tatsächlich zuhören, kann ich jedoch mangels Reichweitenmessung nicht sagen. Einmal hat mich ein Hörer angerufen und gemeint, wir sollten die Musik weglassen, weil die Beiträge so interessant seien.

Was können Sie als KEM-Manager des Jahres Ihren Kolleg:innen empfehlen, die erst seit kurzem als KEM-Manager:innen tätig sind?

Man sollte sich genug Zeit nehmen, um sich mit den Bürgermeister:innen gut zu vernetzen. Wenn man mit ihnen um innovative Projekte ringt, erreicht man vielleicht etwas. Tut man das nicht, erreicht man gar nichts. Dazu braucht man viel Luft. Auch bei mir hat es lange gedauert, das Standing in der KEM zu erhalten, das ich nun habe. Weiters kann ich nur empfehlen, sich mit anderen KEM-Manager:innen nicht nur bei den Schulungs- und Vernetzungstreffen auszutauschen und auch gemeinsame Projekte mit benachbarten KEMs umzusetzen.

Vielen Dank für das Gespräch und herzliche Gratulation zur Auszeichnung als KEM-Manager des Jahres.