Elektrisch durch den Großraum Graz

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Der Klima- und Energiefonds ließ die Modellregion für Elektromobilität Großraum Graz wissenschaftlich begleiten. Nun liegen die Forschungsergebnisse vor. Die WissenschaftlerInnen der Technischen Universität Graz räumen der Elektromobilität ein großes Potenzial ein. Doch nur im Verbund mit dem Ausbau öffentlicher und privater Ladestationen, der Anpassung des elektrischen Versorgungssystems und der Bereitstellung neuer Mobilitätskonzepte kann die Elektromobilität einen nachhaltigen Beitrag zur Mobilität der Zukunft leisten.

„Anfangs, also vor vier Jahren, hatten wir in der Modellregion das Problem, überhaupt ausreichend Elektrofahrzeuge zu bekommen, inzwischen steht eine breite Palette an Fahrzeugen zur Verfügung“, erklärt Robert Schmied, Geschäftsführer der e-mobility Graz GmbH, der Trägergesellschaft der Modellregion Großraum Graz. Inzwischen ist das Angebot an ein- und zweispurigen Fahrzeugen stark gewachsen – und nun wagt man sich in der steirischen Landeshauptstadt auch an die ganz großen Elektrofahrzeuge heran. Schmied: „Derzeit werden auch Vorbereitungen getroffen, vier Grazer Linienbusse vollelektrisch  zu betreiben. Diese Fahrzeuge und deren Ladestrategien sind Neuentwicklungen. Sie werden in Graz auf den Linien 50 und 34e unterwegs sein und bei den Haltestellen jeweils zehn Sekunden lang schnellgeladen.“

Das Problem der geringen Reichweite von Elektroautos darf man getrost ins Reich der Mythen verweisen. „Die Reichweitenangst existiert nur in den Köpfen, nicht in der täglichen Mobilitätspraxis“, so Schmied. „Wir haben die Elektrofahrzeuge quer durch alle Branchen getestet und nur in einem einzigen Fall gab es Probleme mit der Reichweite, nämlich bei einem Fliesenleger, der schwer beladen Wege bis in die Obersteiermark und retour zurückzulegen hatte.“

Begleitforschung. „Die Elektromobilität zeigt großes Potenzial, die Bewegungsform der Zukunft zu werden“, erklärt Studienleiter Jürgen Fabian vom Institut für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Graz. Dafür sprächen hohe Energieeffizienz, Rückgewinnung der Bremsenergie (Rekuperation), geringe Treibhausgas- und Schadstoffemissionen, der Wegfall von Motorenlärm, niedrige Betriebskosten und geringe Abgaben. Für einen endgültigen Durchbruch fehle es aber noch an ausreichend Ladestationen, einem einheitlichen Abrechnungssystem für die Stromtankstellen und neuen Mobilitätskonzepten.

Derzeit sind im Großraum Graz mehr als 480 einspurige und 400 zweispurige Elektrofahrzeuge unterwegs. Im Schnitt fahren die E-MobilistInnen 12.600 Kilometer pro Jahr mit ihrem Auto und verbrauchen dabei etwa so viel Strom, wie in der Modellregion durch Photovoltaik erzeugt wird. Als zusätzlicher Anreiz dürfen Elektroautos in Graz gebührenfrei parken und kostenlos laden, was bei den NutzerInnen sehr gut ankommt.

Substitutionseffekt. Zwischen März und Dezember 2014 wurden im Rahmen der Begleitforschung insgesamt 86 Interviews durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass bei Gewerbebetrieben das Elektroauto viele Fahrten mit konventionellen PKWs ersetzt – besonders in der warmen Jahreszeit. Teilweise wurden die Routen geändert und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verkauft. Und die gewerblichen NutzerInnen berichten, dass ihre E-Autos weniger technische Probleme bereiten.

Privatpersonen wiederum nützen ihr E-Auto mehr als vorher den konventionellen PKW, da das E-Fahrzeug ein gutes Gewissen vermittelt, vor allem, wenn es mit Ökostrom betrieben wird. „Dabei wurden mehrheitlich Erstwagen durch das E-Auto abgelöst. Anders als oft vermutet, wurden Zweitwagen weniger durch E-Autos substituiert. Das liegt vermutlich daran, dass E-Autos als Zweitwagen für viele Menschen zu teuer sind“, heißt es im Endbericht. Die Anschaffung von elektrisch unterstützten Fahrrädern, sogenannten Pedelecs, führt in der Regel nicht zum Verkauf eines konventionellen Fahrzeugs. Allerdings werden viele kurze Wege – sehr oft auch der Weg zur Arbeit – mit dem Pedelec statt mit dem Auto zurückgelegt. Im Schnitt sparte jedes Elektroauto 1,75 Tonnen CO2 pro Jahr ein, jedes Pedelec 0,3 Tonnen.

Akzeptable Mehrkosten. Wirtschaftlich sind Elektrofahrzeuge schon jetzt für VielfahrerInnen. Die Bereitschaft, für ein Elektroauto in der Anschaffung mehr auszugeben, ist bei Privatpersonen höher als bei UnternehmerInnen. Private nehmen durchschnittlich rund 8.500 Euro Mehrkosten in Kauf. UnternehmerInnen sind mit etwa 3.500 Euro deutlich zurückhaltender, schätzen aber den positiven Imageeffekt der Elektroautos. Auch wenn zwei Drittel der befragten NutzerInnen ausschließlich daheim beziehungsweise in der Firma laden, wünschen sich drei Viertel Schnellladestationen im öffentlichen Bereich.

Herausforderung öffentliches Laden. „Der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur zählt zu den wichtigsten Herausforderungen der nächsten Jahre“, meint Schmied. „Das Problem dabei ist, dass öffentliche Ladestationen für die Betreiber derzeit noch nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Wichtig für die überregionale Mobilität wären auch Ladestationen auf den Autobahnrastplätzen. Und aus Nutzersicht kann es nicht sein, dass man fünf verschiedene Karten in der Brieftasche hat, aber dann trotzdem nicht überall laden kann. Das heißt, wir benötigen ein interoperables Ladesystem.“

„Was auch noch fehlt, ist die Fortsetzung der Verknüpfung der unterschiedlichsten Mobiliätsformen. Bei der Routen- und Verkehrsmittelwahl sollen nicht nur Preis und Komfort, sondern auch das aktuelle Wetter Berücksichtigung finden. Wenn es gerade schneit, wird dann eben kein E-Bike vorgeschlagen – dazu gibt es schon einige Ansätze, die in weiteren Projekten verbessert werden“, ergänzt Fabian.