„Lebensmittel sind zu wertvoll für den Müll“

KEM-Managerin im Portrait. Als Feldkirchen in Kärnten 2009 Klima- und Energie-Modellregion (KEM) wurde, war Sabine Kinz die jüngste aller KEM-ManagerInnen. Ihr konsequenter Einsatz für Nachhaltigkeit und Klimaschutz hat inzwischen das Bewusstsein der Bevölkerung geschärft. Kinz engagiert sich für den Ausbau der erneuerbaren Energien und mehr Wertschätzung für Lebensmittel. Nach dem Car-Sharing ist nun Food-Sharing angesagt.

Feldkirchen in Kärnten zählte im Jahr 2009 nicht gerade zu jenen Orten Österreichs, die für Klimaschutz berühmt waren, als sich einige Privatleute zu einem Verein zusammenschlossen, um sich beim Klima- und Energiefonds als Klima- und Energie-Modellregion (KEM) zu bewerben. Inzwischen trägt die Arbeit von KEM-Managerin Sabine Kinz und ebendieses Trägervereins „FEnergiereich“ Früchte. Das sogar wörtlich, denn Sabine Kinz gründete gemeinsam mit freiwilligen HelferInnen „Foodsharing Feldkirchen“. In diesem Laden können jeden Mittwochnachmittag Lebensmittel abgegeben und kostenlos mitgenommen werden.

 

Verschenken statt wegwerfen. „Es geht dabei weniger um den sozialen Aspekt als um einen respektvolleren Umgang mit Nahrungsmitteln, in denen sehr viel Energie, Ressourcen und Arbeit stecken“, erklärt Kinz. „Jede Woche kommen 35 bis 60 Menschen in den Laden – von der Pensionistin bis zum Fachhochschul-Professor. Die Hälfte der Leute bringt zu viel eingekaufte Lebensmittel oder Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten mit.“ Eine Bäckerei, ein Lebensmittelgeschäft und eine Molkerei gehören inzwischen zu den Stammlieferanten.

 

Was die KEM-Managerin besonders freut, ist der Umstand, dass weder für die Lebensmittel noch für das Personal oder die Räumlichkeiten auch nur ein Cent ausgegeben werden muss. Nachdem im November ein „Schenk-Tausch-Teil-Zentrum“ in Friesach eröffnet wurde, möchte Kinz nun auch in Feldkirchen einen sogenannten Kost-nix-Laden aufsperren und gründete dazu einen Verein. So bleibt künftig auch so manchem gut erhaltenen Alltagsgegenstand der Weg in die Mülltonne erspart.

 

60-Stunden-Woche. Auch privat betätigt sich Kinz als Selbstversorgerin, hegt und pflegt ihren Garten und hält neuerdings auch Hühner. So kann sie sich gesund ernähren und spart darüber hinaus auch Geld. Nach Abschluss ihres Studiums der angewandten Betriebswirtschaftslehre studiert die 29-jährige nun Energie- und Umweltmanagement an der Universität Klagenfurt. Und ihr „Halbtagsjob“ als KEM-Managerin hat regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden, denn sie treibt den Klimaschutz auf vielen verschiedenen Ebenen voran.

 

Teamwork. Unterstützung erhält sie dabei von Christian Prugger, der vor sechs Jahren einen konventionellen Mazda in ein Elektroauto umgebaut hat. Er fungiert als Obmann des „FEnergiereichs“ und ist auch im Alpenverein engagiert. Obmann-Stellvertreter ist Norbert Nau, der im Jahr 2006 die Plattform Nachhaltigkeit Feldkirchen gegründet und seither zahlreiche Informationsveranstaltungen organisiert hat. Eckart Senitza leitet ein technisches Büro für Forstwirtschaft in Feldkirchen, war an der Einreichung für die KEM maßgeblich beteiligt – und hat sein saniertes Kleinwasserkraftwerk an der Tiebel in ein Schau-Kraftwerk verwandelt.

 

Die Sanierung der 17 Tiebel-Kraftwerke war auch eine der Ausgangsideen für die Einreichung als Klima- und Energie-Modellregion. Drei Kleinwasserkraftwerke (KWK) wurden seit Beginn des Projekts modernisiert. Im Rahmen von Detailberatungen zur Sanierungseffizienz durchgeführte Kalkulationen ergaben für zwei weitere KWK interessante Potenziale. Bei Einbau einer ausreichend groß dimensionierten Turbine könnte das eine Kraftwerk  rund 50, das andere 113 Prozent mehr Strom liefern. Auch der Bau der Biomasse-Fernwärmeversorgung der Stadt Feldkirchen befindet sich in Planung. In der KEM und den umliegenden Gemeinden liefern bereits 13 Heizwerke mit einer installierten Leistung von zehn Megawatt wohlige Wärme aus nachwachsenden Rohstoffen.

Engagement wecken. Derzeit legt Kinz den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Öffentlichkeitsarbeit. Während der Umsetzungsphase wurden sieben Plattformen eingerichtet, in denen AkteurInnen der jeweiligen Bereiche – Biomasse, Sonnenenergie, Kleinwasserkraft, Gebäude, Mobilität, Betriebe und Landwirtschaft sowie Gemeinde – an einer nachhaltigeren Zukunft arbeiten. Diese Plattformen werden nun gezielt für Informationsveranstaltungen und Aktionen genutzt. Gemeinsam mit dem Alpenverein plant die KEM-Managerin einen Energie-Wandertag.

 

Im Sommer 2014 verlieh die Klima- und Energie-Modellregion Elektrofahrräder an Unternehmen, und die gezielte Ansteckung mit dem E-Bike-Virus funktionierte. „Zwei Unternehmen haben inzwischen selbst E-Bikes für ihre MitarbeiterInnen angeschafft“, freut sich Kinz. Daher wiederholt die KEM diese Aktion auch in der heurigen Fahrrad-Saison. Heuer soll auch am Hauptplatz von Feldkirchen eine Stromtankstelle entstehen, die die bestehenden vier Stromtankstellen und vier Ladestationen  ergänzt.

 

Gleichzeitig arbeitet Kinz an einem 3-kWp-All-in-one-Paket für die BürgerInnen der Klima- und Energie-Modellregion Feldkirchen/Umgebung. Dabei bieten alle Photovoltaik-Installateure der KEM einen Fixpreis für eine PV-Anlage mit drei Kilowatt Spitzenleistung an. „Ziel ist es, den BürgerInnen einen fairen und transparenten Preis zu bieten. Der Vorteil für die Unternehmen liegt in der gemeinsamen Bewerbung und Abwicklung des Projekts“, so Kinz.

 

Privat versus öffentlich. In vielen Klima- und Energie-Modellregionen fungieren die Städte und Gemeinden als Träger der jeweiligen KEM oder sind in Trägervereinen vertreten. Die KEM Feldkirchen/Umgebung basiert dagegen ausschließlich auf privater Initiative. „Das hat Vor- und Nachteile“, weiß Kinz. „Zu den großen Vorteilen gehört unsere Unabhängigkeit. Wir können überparteilich agieren und kommen auch mit Unternehmen leichter ins Gespräch.“ Schwierig gestaltet sich dagegen mitunter die Finanzierung der Projekte. Und ohne Behördenstatus kann Kinz auch nicht so kräftig auf den Tisch hauen, wie sie es manchmal gerne täte.

 

Trotzdem wurde Kinz in den vergangenen Jahren zu einer zentralen Ansprechperson in allen Fragen rund um Energie und Klimaschutz in Feldkirchen. „Es ist sehr viel passiert und das Bewusstsein in unserer Region ist deutlich gestiegen – auch in der Verwaltung“, resümiert sie. „Sie steht ihre Frau und hat Tolles geleistet“, bestätigt auch Peter Plaimer, KEM-Manager der Region Südkärnten. „Und ich schätze ihre Kollegialität.“

 

Was aber macht Sabine Kinz in ihrer kargen Freizeit, wenn Obst und Gemüse geerntet  und die Hühner gefüttert sind? Sie taucht ab. Mit Schwimmflossen, Schnorchel und Pressluftflasche. Die Tauchgänge im Roten Meer werden ihr unvergesslich bleiben.


Weitere Informationen:
KEM Feldkirchen/Umgebung
FEnergiereich