Kläranlagen als Kraftwerke

Immer mehr Kläranlagen setzen auf Photovoltaik. Allein durch das Investitionsförderungsprogramm des Klima- und Energiefonds für Klima- und Energie-Modellregionen konnten in den vergangenen Jahren 77 Sonnenkraftwerke auf Abwasserreinigungsanlagen realisiert werden. Einige Dutzend Kläranlagenbetreiber in Österreich gehen noch einen Schritt weiter und nutzen das in der Anlage anfallende Klärgas zur Erzeugung von Strom und Wärme.

Wasser zu verschmutzen ist einfach, doch seine Reinigung benötigt viel Know-how und Energie. In Österreich übernehmen 1.800 Kläranlagen mit einer Reinigungsleistung von über 50 Einwohnerwerten sowie zehntausende Hauskläranlagen diese Aufgabe. Allein Österreichs größte Kläranlage, die Hauptkläranlage Wien, verschlingt fast ein Prozent der in Wien verbrauchten Energie. Doch immer mehr Kläranlagenbetreiber setzen auf Energieeffizienz und erneuerbare Energie.

Sonnenkraft. Rasch realisieren lassen sich Photovoltaik-Kraftwerke. An sonnigen Standorten können diese einen beträchtlichen Teil des Strombedarfs von Kläranlagen abdecken. In der Klima- und Energie-Modellregion Pulkautal errichtete der Abwasserverband Seefeld-Kadolz eine 310 Quadratmeter große Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 49 Kilowattpeak (kWp). Seit Jänner liefert diese ein Viertel des Strombedarfs der Wasserreinigung. Damit werden pro Jahr rund 30 Tonnen CO2 eingespart.

Das Sonnenkraftwerk im Pulkautal wurde ebenso vom Klima- und Energiefonds gefördert wie die neue Photovoltaikanlage auf der Kläranlage der Gemeinde Kilb in der KEM Mostviertel Mitte. Sie verfügt über eine Spitzenleistung von 20 kWp. „Insgesamt wurden aus den Mitteln des Investitionsförderungsprogramms der Klima- und Energie-Modellregionen bisher 77 Photovoltaikanlagen finanziell unterstützt“, erklärt Christoph Wolfsegger, Programm- und Research-Manager im Klima- und Energiefonds. „Zusammen weisen diese Anlagen eine installierte Leistung von 1.720 kWp auf.“

Biogas. „Mit einer Förderung können sich Photovoltaikanlagen für Kläranlagenbetreiber rechnen – es sei denn, sie beziehen Strom zu besonders günstigen Konditionen“, meint auch Franz Lehner vom Österreichischen Wasser- und Abwasserverband (ÖWAV). „Mit Photovoltaik lässt sich allerdings nur ein Teil des Strombedarfs von Kläranlagen decken. Wenn es in Richtung energieautonome Abwasserreinigung gehen soll, wird man um eine Biogasproduktion mit Kofermentation kaum herumkommen.“ Dabei wird die Klärgasproduktion im Faulturm durch die Zugabe von organischen Reststoffen – zum Beispiel Altspeiseöl – angeheizt. Mit dem Biogas werden Gasmotoren oder Blockheizkraftwerke angetrieben, die Strom und Wärme für die Kläranlage liefern.

„Bei der Zugabe von Altspeiseölen muss man allerdings vorsichtig sein“, weiß Hansjörg Schenner. „Erwischt man zu viel, beginnt der Faulturm zu rülpsen.“ Schenner ist Geschäftsführer des Reinhaltungsverbands Hallstätter See in Bad Goisern und KEM-Manager der Welterbe-Energieregion Inneres Salzkammergut. Bereits 2005 bekam die Kläranlage ihre ersten Photovoltaik-Module, 2007 und 2014 folgten weitere. Zusammen liefern sie heute rund 40.000 Kilowattstunden (kWh) jährlich. Eine Solarthermieanlage stellt zusätzlich 20 Kilowatt Wärme zur Verfügung, die in das Heizsystem der Kläranlage eingespeist wird und damit den Einsatz von Erdgas reduziert.

Waffentechnologie. Den Clou der Kläranlage in Bad Goisern bilden aber zwei erstmals in Österreich eingesetzte Mikrogasturbinen, die im Jahr 2006 in Betrieb gingen – und mit einer Stromproduktion von 220.000 kWh pro Jahr knapp die Hälfte des Energiebedarfs abdecken. „Die Technik stammt aus der Entwicklung von Lenkwaffen und hat den Weg in eine friedliche Nutzung gefunden“, erläutert Schenner. „Damit lässt sich das Klärgas effizient in Strom und Wärme umwandeln – und das mit um den Faktor zehn besseren Abgaswerten als bei konventionellen Blockheizkraftwerken.“

Auch der Abwasserverband Anzbach Laabental in der KEM Elsbeere Wienerwald setzt auf die Klärgasnutzung. „Wir haben die Kofermentation getestet“, sagt Betriebsleiter Franz W. Groß. „Das Ergebnis war für uns jedoch wirtschaftlich nicht interessant.“ Denn auch die Altspeiseöle aus den Frittiermaschinen der Gastronomie haben inzwischen ihren Preis. Außerdem benötigt man für die Kofermentation eine abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung. Doch auch ohne die Zugabe von organischen Reststoffen liefert der Faulturm in Markersdorf bei Neulengbach so viel Biogas, dass damit die Hälfte des Strom- und Wärmebedarfs der Kläranlage in zwei Blockheizkraftwerken produziert werden kann.

Maßnahmenbündel. Welche Schritte sich zur Senkung des Energiebedarfs von Kläranlagen eignen, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Dazu zählen Lage und Platzangebot, die Größe der Anlage, aber auch die Konditionen, zu denen aktuell Strom und Wärme bezogen werden. Die Klärgasnutzung beispielsweise rechnet sich erst bei mittelgroßen Anlagen ab 20.000 oder 30.000 Einwohnerwerten. Photovoltaik leistet auch bei kleineren Anlagen gute Dienste. Moderne Prozessleittechnik, die Vermeidung von Lastspitzen und energieeffiziente Pumpen bewähren sich in jeder Kläranlage.

Dem Abwasser kann außerdem mit Wärmepumpen Energie entzogen werden. So wird beispielsweise die Zentrale der Stadtwerke Amstetten mit Wärme aus dem Kanal versorgt. In Weiz wird der Kläranlagenablauf mit einer Temperatur von 9 bis 19°C genutzt, um die Pichler Werke und ein Autohaus mit Wärme zu versorgen. Im Sommer wird mit der Anlage passiv – das heißt ohne Wärmepumpe – gekühlt. Lässt es die Topographie zu, können gereinigte Abwässer auch Turbinen oder Wasserkraftschnecken antreiben. Das gilt beispielsweise für „Power Plobb“, das Abwasserkraftwerk in Seefeld, oder die Hauptkläranlage Wien. In Wien setzt man auch eine Kleinwindkraftanlage ein und hat sich ein ambitioniertes Ziel gesteckt: Bis 2020 soll die Hauptkläranlage so viel Energie produzieren, wie sie selbst verbraucht.