Baustein für Baustein

KEM-Manager im Portrait. Eigentlich hat Ansbert Sturm ein eher ruhiges Naturell. Doch wenn es um Klimaschutz und Energiewende geht, spürt man ein Feuer in ihm lodern. Das ist die Energie, mit der der Manager der Klima- und Energie-Modellregion (KEM) Zukunftsraum Thayaland Bürgermeister von Mustersanierungen und die Bevölkerung vom Radfahren und Elektroauto-Teilen überzeugt.

Dass man auch einmal einen Kilometer zu Fuß gehen kann, versetzt so manchen Menschen in Erstaunen. Das musste Ansbert Sturm kürzlich feststellen, als er mit seinem dreijährigen Sohn loszog, um ein Holzbaukastensystem direkt beim Erzeuger zu kaufen. Die Verkäuferin war bass erstaunt ob dieser sportlichen Leistung. „Es ist mir wichtig, auch privat das zu leben, was ich beruflich erreichen möchte – mehr Nachhaltigkeit“, sagt Sturm. „Wenn ich, statt mit dem Auto zu fahren, einen Kilometer hin und einen zurück spazieren gehe, dann ist das für mich nicht Verzicht, sondern ein Gewinn an Lebensqualität.“

Die Mobilität im Zukunftsraum Thayatal nachhaltig zu gestalten, ist jedoch nicht einfach. Die Busfahrpläne sind dünn und die Eisenbahn gehört der Vergangenheit an. Erfolgversprechend entwickelt sich allerdings das von Ansbert Sturm initiierte E-Car-Sharing in Waidhofen an der Thaya. Seit April 2014 legte das „ECOmobil Thayaland“ 50.000 Kilometer zurück. „Das Fahrzeug ist voll ausgelastet und wir werden bis Ende des Jahres zwei weitere Elektroautos anschaffen“, so Sturm. „Auch in Vitis und Dobersberg haben sich InteressentInnen für ein E-Car-Sharing gemeldet, allerdings knapp zu wenige, um sofort starten zu können.“ In Dietmanns wird das Essen auf Rädern elektrisch ausgeliefert.

Pedale statt Diesellok. Aus der Not der eingestellten Bahnlinien macht die Region nun die Tugend eines neuen Radwegs. Die beiden ehemaligen Bahnstrecken Waidhofen-Slavonice und Göpfritz-Raabs werden asphaltiert und über Nebenstraßen zur 111 Kilometer langen „Thayarunde“ verbunden. Die Strecke ist dementsprechend frei von größeren Steigungen, dafür reich an Sehenswürdigkeiten, Badeplätzen und Naturschönheit. Im Norden verläuft die Thayarunde durch das Nachbarland Tschechien und bindet die Renaissancestadt Slavonice, berühmt für ihre zahlreichen Sgraffito-Häuser, in die Route ein. Das erste Teilstück wurde im Juni 2015 eröffnet, die gesamte Runde wird ab 2017 befahrbar sein.

In Sturms erstem Klimaschulenprojekt, das im Juni 2015 abgeschlossen wurde, bildete ebenfalls das Thema Mobilität einen Schwerpunkt. So erkundeten die SchülerInnen nicht nur den Energieverbrauch an ihren Schulen, sondern erhoben an der HAK Waidhofen an der Thaya auch, wer mit welchem Verkehrsmittel in die Schule kommt. Gleichzeitig wurden die SchülerInnen befragt, welcher Anreize es bedürfte, damit sie mit dem Fahrrad zur Schule kommen. Würde beispielsweise ein neuer Fahrradständer helfen? Eindrucksvoll vermittelte auch der Klimamönch der Oberösterreichischen Nachrichten, Edmund Brandner, was jede/r Einzelne für den Klimaschutz tun kann.

„Das Thema Radfahren wird auch im laufenden Klimaschulenprojekt weiterverfolgt und um Radfahr-Workshops sowie einen Sicherheitsparcours ergänzt“, erläutert Sturm. Weitere Schwerpunkte stellen das Thema Bodenschutz, die Luftqualität in den Klassenzimmern und das Thema Ernährung samt „Klimafrühstück“ dar. In der HAK Waidhofen und der Neuen Mittelschule Groß-Siegharts löten sich die SchülerInnen Ladestationen für ihre Handys aus Solarzellen-Bruchmaterial zusammen.

Fünf Mustersanierungen. Im Frühjahr beginnt die inzwischen fünfte Mustersanierung in der KEM Zukunftsraum Thayaland. Das alte Bahnhofsgebäude in Dobersberg soll in ein neues KEM-Büro verwandelt werden. Der ehemalige Bahnhof in Thaya fungiert schon seit 2014 als energieeffiziente Arztpraxis. Die Volksschulen Waidhofen an der Thaya und Windigsteig wurden im selben Jahr mustersaniert. Die umfassenden Renovierungsarbeiten am Gemeindeamt Kautzen konnten bereits 2013 abgeschlossen werden.

Regionale Vernetzung. Wichtige Foren für Sturms Wirken sind der Arbeitskreis der 15 Gemeinden*, die sich an der an der Klima- und Energie-Modellregion Zukunftsraum Thayaland (und ihrem gleichnamigen Trägerverein) beteiligen, und die inzwischen schon traditionellen Waldviertler Energiestammtische. Im Dezember 2014 wurde zudem der Zukunftsklub Thayaland gegründet. Dieser soll gemeinsam mit dem Verein Zukunftsraum Thayaland eine RegionsGmbH Thayaland gründen, die regionale Energieprojekte mit Geld und Know-how aus der Region umsetzen wird.

„Über den Zukunftsraum sind die Gemeinden eingebunden, der Zukunftsklub lädt Privatpersonen, Firmen und Institutionen aus der Region ein, sich an dem Unternehmen zu beteiligen“, erklärt Sturm. „Durch diese Konstruktion können alle interessierten BürgerInnen an der Energiewende und der Erhöhung der regionalen Wertschöpfung mitwirken.“

Biogas. Den nächsten Schritt in eine erneuerbare Energiezukunft setzt Waidhofen mit einem Biogas-Kraftwerk mit 500 Kilowatt elektrischer Leistung und Abwärmenutzung. Die Inbetriebnahme ist im heurigen Frühling geplant. Sturm: „Die Anlage ist ein wichtiger Baustein in einem regionalen Energiesystem der Zukunft, das aus vielen kleinen Erzeugungseinheiten besteht. Da Photovoltaik und Windkraft nicht immer zur Verfügung stehen, bieten Biogasanlagen eine wertvolle Ergänzung.“

„Ansbert Sturm geht seinen Job besonders ganzheitlich an. Er hat nicht so sehr Grenzwerte oder Kilowattstunden im Kopf, sondern verfolgt vielmehr einen grundlegend menschlichen Zugang – das Wohl der nächsten Generationen. Er möchte das Lebensumfeld seiner und anderer Kinder zum Positiven verändern“, charakterisiert Otmar Schlager, Geschäftsführer der Energieagentur der Regionen, den KEM-Manager, der einige Stunden pro Wochen auch für die Energieagentur arbeitet.

Sturm wurde in der Nähe von Knittelfeld (Steiermark) geboren, absolvierte ein individuelles Diplomstudium „Erneuerbare Energie“ an der Universität für Bodenkultur und der Technischen Universität Wien. Während seines Studiums arbeitete er als Systemadministrator an der Universität Wien. In der Bundehauptstadt lernte er seine Frau kennen, mit der er in ihre Heimat, nach Waidhofen an der Thaya, zog. Am 9. Dezember brachte sie einen zweiten Sohn zur Welt. Die Familie steht daher ganz oben auf Ansbert Sturms privater Prioritätenliste. Und so baut der Papa derzeit nicht nur an einer neuen Energiezukunft, sondern auch Feuerwehrautos und Nähmaschinen aus Holzbausteinen.


* Dietmanns, Dobersberg, Gastern, Groß-Siegharts, Karlstein/Thaya, Kautzen, Ludweis-Aigen, Pfaffenschlag, Raabs/Thaya, Thaya, Vitis, Waidhofen/Thaya, Waidhofen/Thaya